Eine Quelle, der er vertraut

Zwei Jahre lang widmete sich der Künstler Ferdinand Gehr ausschliesslich dem Nachdenken – in dieser Zeit der Introspektion wurde angelegt, was er während der folgenden 70 Jahre entfalten konnte.

Vom Werk des Malers Ferdinand Gehr (1896 – 1996) kennen viele die Bilder von Blumen und Äpfeln, da sie hunderttausendfach als Postkartenmotive verwendet wurden. Diese Aquarelle zu malen, bezeichnete Gehr einmal als sein «Hobby». Eindrücklicher wirken seine Landschaften (erdnahe oder auch traumhafte), Porträts, Farbholzschnitte, Glas-, Wand- und Tafelbilder, in denen Mystisch-Überzeitliches sich mit Naturhaftem verbindet.

Die Kontinuität seines während sieben Jahrzehnten entstandenen Schaffens war ihm auch deshalb möglich, weil seine Frau Mathilde (1907 – 1986) ihm alles abnahm, was nicht unmittelbar mit seiner künstlerischen Tätigkeit zu tun hatte. Zudem stand ihm, ab 1961, das erstgeborene seiner fünf Kinder, die Tochter Franziska, bei der Ausführung zahlreicher Wand- und Deckenbilder als Assistentin zur Seite. Auch seine Wandteppiche von zum Teil riesigem Format wurden von ihr ausgeführt.

Sie, die Textilkünstlerin Franziska Gehr (*1939), öffnete mir an einem unvergesslichen Sommertag das Atelierhaus in Altstätten. Ich durfte dort Werke ihres Vaters fotografieren, und mir von einer sehr speziellen Phase in seinem Leben erzählen lassen.

Zwischen 1924 und 1926 schien Gehr unproduktiv zu sein. Die Eindrücke vom modernen Kunstschaffen, die er während seiner Studien in Florenz und Paris erhalten hatte, waren derart reich, dass er eine Zeit des innerlichen Verarbeitens benötigte. Es entstand eine Situation, die man sich in ihrer Sonderbarkeit, sogar Peinlichkeit vorstellen muss: Dieser nicht mehr ganz junge Mann widmete sich, trotz einer abgeschlossenen Berufslehre als Textilentwerfer, jahrelang ausschliesslich dem Nachdenken! Er malte nicht – er tat «nichts» …

von Manfred E. Cuny


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