Die Tausendundzweite Nacht

Seit mehr als zwei Jahren befinden wir uns in der tausendundzweiten Nacht, der Nacht der langen Messer, der Mutter aller Nächte und insbesondere der Betrügereien und anderer Verbrechen; der Nacht der frei erfundenen Geschichten und Fakten, gecheckt von ebenso sich selbst erfindenden Fakten-Checkern.

Begonnen hat alles mit der Fabel von der Fledermaus und dem Pangolin (Schuppentier): Eine gelangweilte Fledermaus flog aus einer chinesischen Höhle, um sich mal auf einem Nasstiermarkt zu amüsieren. Sie landete auf dem Wuhan-Markt und machte die zuerst scheue Bekanntschaft mit einem Pangolin. Weil es ihnen auf dem Markt zu nass war und sie über das Treiben und den Umgang der Menschen mit ihren Artgenossen schockiert waren, gingen sie in eine nahegelegene Bar. Dort gaben sie sich so richtig die Kante, und der Pangolin fertigte mit einem Scherenschnitt eine Krone an, die er der von ihm verehrten Fledermaus aufsetzte. Daraufhin schlossen sie Blutsbrüderschaft, die zu einem neuen viralen Genom führte, das sie wegen dem Jahr 2019 und der neuen Krone der Fledermaus Corona 19 nannten.

Sie beschlossen, die bösen Menschen auf dem Nasstiermarkt mit diesem Virus anzustecken, um sich für die respektlose Behandlung an ihren Artgenossen zu rächen, auf dass die Menschen dann von Covid-19 befallen würden. Sie wollten aber die Verantwortung für dieses virale Attentat übernehmen und schickten ein anonymes Bekennerschreiben an Dr. Fauci in die USA. Und da er noch nicht gestorben ist, wird er nicht müde, diese Geschichte seinen Bürgern immer wieder zu erzählen.

Weitere Geschichtenerzähler sind in dieser tausendundzweiten Nacht dazugekommen, auch in Europa. Karl Lauterbach hat eine neue Fabel entwickelt, die vom Leoparden und dem Affen: Ein Leopard hat im Kongobecken einen Affen gebissen und in ihm ein schlummerndes Pockenvirus aktiviert. Der offenbar schwule Affe hat sich dann an homosexuelle Männer herangemacht und diese infiziert, welche das Virus aus Afrika nach Antwerpen auf eine Party gebracht haben, wo weitere Männer angesteckt wurden, die dann 21 Tage in Quarantäne mussten. Nicht alle glauben aber diese Geschichte, wie zum Beispiel Klaus Stöhr, ehemaliger Epidemiologe bei der WHO, der meinte: «Eher gewinnen Sie im Lotto, als dass Sie sich mit Affenpocken infizieren.» Wegen dieser Stöhrschen Respektlosigkeit musste das Magazin Focus Ge-gensteuer geben: «Covid schädigt nicht nur die Lunge, es kann auch Windpocken reaktivieren.» Die Lösung folgt auf dem Fuss: «Die Ständige Impfkommission STIKO empfiehlt, mit einer Impfung gegen Gürtelrose vorzusorgen!» He? Covid, Windpocken, Affenpocken, Gürtelrose – mir ist das alles zu viel.

Endlich wache ich schweissgebadet aus dieser Nacht auf – um mit Schrecken festzustellen: Es gibt noch keine Impfung gegen Dachlawinen und herunterfallende Ziegelsteine. Und keine Behandlung gegen das Long-Dachlawinen-Syndrom. Ich finde, das ist eine Affenpockenschande! ♦

von Marco Caimi
Credit Grafik: polyactive

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