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Entfesselte Bildung

Lernen ohne Schule 

Die Familie von Doris und Bruno Gantenbein hat es durchgezogen: Keines ihrer drei Kinder hat die Schule besucht, nicht mal Unterricht zu Hause erhalten. Sie gehören den sogenannten Unschoolern an. Mittlerweile sind die Kinder erwachsen und gehen ihren individuellen Lebensweg – und das auf sehr erfolgreiche Art und Weise. 

Das Haus der Gantenbeins befindet sich in einer eher unscheinbaren Wohnsiedlung am Rande eines Appenzeller Dorfes. Von der Küche aus kann man den Blick weit über die Felder bis Richtung Bodensee schweifen lassen. Hier haben die Gantenbeins ihre Kinder Sara, Olivia und Nalin unabhängig vom Schulsystem aufgezogen. Obwohl freie Bildung dem System mehr als ein Dorn im Auge ist, lässt die Entwicklung der Kinder aufhorchen. So ist etwa die älteste Tochter auf dem Weg, Anwältin zu werden. Wie es dazu kam und wo sie heute stehen, erzählt die Familie an ihrem Küchentisch. 

Doris: Ich war als Primarlehrerin tätig und es erfüllte mich, mit den Kindern zu sein. Doch die ständige Fokussierung auf Noten und Beurteilungen fühlte sich für mich einschränkend an. So kündigte ich meine feste Stelle, um mich beruflich neu zu orientieren. Nur eine Woche später merkte ich, dass ich schwanger bin. Schon damals begannen wir, nach einer passenden Schule für unsere wachsende Familie zu suchen und hätten auch unseren Wohnort danach ausgewählt. So besuchten wir etliche alternative Schulen. 

Bruno: Ich war schon immer bildungsaffin. Diese Einblicke, wie die Kinder lernten, haben uns fasziniert und inspiriert. Wir stellten fest, dass es dabei oft um Umgebungsgestaltung geht. Die Kinder assimilieren die Umgebung und entwickeln sich darin. 

Doris: Immer öfter kam der Gedanke ins Feld, dass es auch ohne Schule möglich sein sollte. Bruno machte einen Homeschooling-Verein ausfindig und wir besuchten einen Infoabend. Doch wir merkten, dass wir dort nicht wie erwartet auf Gleichgesinnte stiessen. Sie waren sehr religiös und viel zu sehr reglementiert. 

So waren wir wieder alleine und wussten: Es wird unser ganz eigener Weg. Glücklicherweise liessen wir uns im Kanton Appenzell Ausserrhoden nieder, wo wir auf eine liberale Bildungsbehörde trafen. Den Behörden reichten wir unser Bildungskonzept ein, welches die Betreffenden bestimmt überforderte. Dennoch rannten wir offene Türen ein. Man sei gespannt, wie es läuft, war die Haltung. Unser Experiment zog weitere «Bildungsflüchtlinge» in die Gegend. So waren wir irgendwann um die 30 Unschooler hier. Gemeinsam konnten wir die Turnhalle mieten und so die Auflagen der Behörden nach Turnunterricht erfüllen. 

Als wir mit unserem eigenen Konzept ganz ohne Schule durch die Medien bekannt wurden, wollten uns alle besuchen. Mit der Zeit fühlten wir uns wie im Zoo, wo man sich anschaute, wie es die Gantenbeins machen. Wir führten einen Tag pro Woche ein, der im Wald stattfand. Da konnte mitkommen, wer wollte. Das war unser Pro-Lernen-Tag. 

Bruno: Heute würde ich ihn «Frei sich bilden»-Tag nennen. Denn die Kinder erreichen sowieso, was sie wollen. Da muss man keine Messlatte vorgeben, das kommt alles. 

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Doris und Bruno Gantenbein sind Schweizer Unschooling-Pioniere, Autoren und Experten in der Elternkunst. 
elternkunst.ch 


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