
Die an die Politiker schreiben
Der «Rat für ethische Aufklärung» setzt sich für Menschenwürde und Meinungsfreiheit ein
Im Oktober 2021 gründete die Diplom-Juristin Hildegard Vera Kaethner mit drei Bekannten den Rat für ethische Aufklärung, um einen Debattenraum zum Thema Ethik und Menschenrechte zu eröffnen. Wichtig ist ihnen die Unantastbarkeit der Menschenwürde und des Selbstbestimmungsrechtes eines jeden Menschen und jeden Volkes. Auch Meinungsfreiheit und Zugänglichkeit der überlebenswichtigen Güter für jeden Menschen sind in den Grundsätzen des Rates verankert.
Neben Hildegard Vera Kaethner sind Rechtsanwältin Kathrin Ruttloff, Roald Hitzer und Ralf Lorenz im Rat. Kaethners Vater war in der KPD, in ihrer Kindheit waren Arbeiterlieder Alltag, wie etwa «Roter Wedding, grüsst euch Genossen». 1960 bis 1962 ging Kaethner in Nordkorea zur Schule, wo ihr Vater als Handelsattaché tätig war. Den Mauerbau und das damit einhergehende Kontaktverbot zu Verwandten im Westen hinterliessen einen starken Eindruck auf das Kind.
Kaethner studierte Jura in Jena und wollte Staatsanwältin werden. Doch schon beim Vorpraktikum in Dresden merkte die 18-Jährige, dass sie Prozesse gegen Fluchthelfer nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren konnte und sprach sich gegen die Arbeit bei der Staatsanwaltschaft aus. Das Diplom machte sie dann an der Humboldt-Universität. Nach dem Studium arbeitete sie als Justiziarin im Elektroapparatewerk in Treptow. Karriere konnte sie in der DDR nicht machen, weil sie nicht in die Partei eintrat. Nach dem Mauerfall arbeitete sie als Redakteurin für den Verlag Neue Wirtschaftsbriefe, der auch in der ehemaligen DDR Fuss fassen wollte.
Dirk Engelhardt: Frau Kaethner, warum ein «Rat für ethische Aufklärung»?
Hildegard Vera Kaethner: Wir trafen uns während der Corona-Zeit auf Demonstrationen. Die Versammlungsbeschränkungen damals empfanden wir als Krieg gegen die Menschen. Am 12. Oktober 2021 gründeten wir den Rat. Warum wir ihn gegründet haben? Wenn wir uns zusammentun, können wir etwas bewegen, aus der moralisch-ethischen Sicht. Auslöser war Professor Alena Buyx vom Deutschen Ethikrat, die sagte: Wer sich nicht impfen lässt, der solle es sich doch überlegen … Man würde da niedrigschwellige Angebote machen mit einer Bratwurst …
Diese Aussage hat Sie erzürnt?
HVK: Diese Aussage hat uns aufgebracht. Was hat das mit Humanismus, mit Menschlichkeit zu tun, wenn man einen Menschen so degradiert, ihn zu einer medizinischen Behandlung zwingt, indem man ihm eine Bratwurst offeriert? Mit Respekt und Wertschätzung von Menschen hat das nichts zu tun. Wir nahmen an, dass es grosse Widerstände gegen die geplante Zwangsimpfung gibt …
… doch da kam wenig.
HVK: Eigentlich hätte der Deutsche Ethikrat dagegen vorgehen müssen. Aber genau das Gegenteil geschah. Wir nahmen an, dass die Juristen aufstehen, doch es kam nichts.
Wie arbeitet der «Rat für ethische Aufklärung»?
HVK: Wir treffen uns einmal pro Woche und beraten uns. Und wir geben Schreiben heraus, an die Politiker. Wir haben verschiedene Schreiben gegen die Impfkampagne für die Schulkinder verfasst und sie an alle Schuldirektoren in Brandenburg verschickt. Das waren über 500 Adressen. Leider haben die wenigsten geantwortet. Es kamen von drei oder vier Direktoren die Antwort, dass sie die Vorgaben der Impfkampagne nicht umsetzen wollen, ein paar andere antworteten, dass sie nicht wüssten, was wir wollten. Aber der Rest antwortete überhaupt nicht.
Kann man Ihre Schreiben lesen?
HVK: Auf unserer Homepage ethikrat-brandenburg.de sind alle Schreiben nachzulesen. Im Vorfeld der Impfdiskussion, im März 2022, schrieben wir auch alle Bundestagsabgeordneten an. Wir rieten ihnen, dass sie sich doch bitte ganz genau überlegen sollten, wie sie abstimmen. Am Ende unseres Briefes stand, wir sollten überlegen, wie wir miteinander umgehen. Da kam etliche Resonanz, obwohl dort Tausende von elektronischen Briefen eingingen.
Wer antwortete?
HVK: Wir hatten mit Herrn Kubicki Kontakt. Viele von der AfD schrieben, dass sie dagegen stimmen würden. Etliche auch von den Linken, einer von der CDU und zwei oder drei von der SPD. Wir erhielten aber auch Antworten von Abgeordneten, die schrieben, dass sie dafür stimmen würden. Im Brief hatten wir auch Bill Gates erwähnt, der ja damals sagte, dass er gerne sieben Milliarden Menschen impfen lassen würde. Das macht doch skeptisch.
Wie reagierten Sie auf die Veröffentlichung der RKI-Protokolle?
HVK: Da haben wir auch ein Schreiben herausgegeben und gefragt, wie die Abgeordneten die Lage nun sehen würden. Wir wollten wissen, wie die Abgeordneten die Grundrechtsverstösse sehen würden. Wir haben bisher allerdings erst Antworten erhalten, die besagten, dass man später antworten wolle. Ein CDU-Mann schrieb, dass man doch bitte auf seine Homepage schauen solle, dort stehe alles. Es war nicht sehr zuwendend, angesichts des grosses Leides, das mehr als zweieinhalb Jahre den Menschen der Bundesrepublik Deutschland zugefügt wurde. Wenn Abgeordnete nicht mehr die Interessen der Bevölkerung wahrnehmen, dann fragen wir uns, ob diese Abgeordneten eigentlich verstanden haben, wozu sie überhaupt da sind.
Wie steht der Rat zum Thema Ukraine?
HVK: Es gibt keine Gesellschaft, die gut leben kann, wenn man das Soziale zerstört. Eine Gesellschaft ohne ethische Grundsätze ist eine Kriegsgesellschaft. Als Rat stehen wir für den Frieden und verneinen die Versendung von Waffen in die Ukraine. Humanitäre Hilfe ja, aber keine Waffen. Russland hat Deutschland nicht den Krieg erklärt. Es ist kein Bündnisfall. Das sagen übrigens auch viele Völkerrechtler. Dieser Krieg hat eine Wurzel. Er begann 2014, der regime change. Putin, so schrieb die Berliner Zeitung 2014, nahm damals nicht an der Gedenkfeier der Auschwitz-Überlebenden in Polen teil, weil er Polen antirussische Hysterie und Geschichtsklitterung vorwarf. Putin sagte auch, es gäbe keine deutsche Identität ohne Auschwitz, was wir ebenfalls unterstützen.
Die Vorgeschichte des Ukraine-Krieges spielt in vielen deutschen Medien heute keine grosse Rolle …
HVK: 2014 hiess es, Russland gehöre nicht mehr zu den G8-Mächten. Obama sagte damals, Russland gehöre nicht mehr zu den Weltmächten, sondern sei eine Regionalmacht. Das war eine Art Kriegsvorbereitung, nichts anderes.
Wie sieht der Rat die Haltung der deutschen Aussenministerin zum Ukraine-Konflikt?
HVK: Annalena Baerbock sagte ja auf einer Konferenz 2022: Wir werden Russland ruinieren. Das ist für uns eine klare Kriegsansage. Das heisst, sie will über 100 Völker, die in der ehemaligen Sowjetunion leben, ruinieren. Nichts anderes! Das kommt keinem Aussenminister zu, solch ein Ansinnen zu stellen. Herr Kiesewetter sagte ja dann noch, wir wollen den Krieg nach Russland tragen, in alle Ämter und Ministerien. Das ist die schlimmste Kriegsansage, die ich mir vorstellen kann. Und dies angesichts der 27 Millionen Toten, die die Sowjetunion im Befreiungskampf gegen den Hitler-Faschismus zu verzeichnen hatte. Das wissen wir sehr genau. Wir wissen auch sehr genau, dass 1990 versprochen wurde, dass es keine NATO-Osterweiterung geben würde. Dann Frau Strack-Zimmermann, die nur noch Waffen fordert. Mit Kriegswaffen kann man aber keinen Frieden schaffen. Dazu sind die Deutschen aber verpflichtet.
Sie waren ja nach dem Mauerfall im «Neuen Forum» tätig. Wie ist diese Zeit in Ihrer Erinnerung?
HVK: Ich sehe da grosse Ähnlichkeiten zu der heutigen Zeit. Sehen Sie, ich habe ein Dokument des Neuen Forum vom September 1989 gefunden, auf dem es heisst: «Die gestörte Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft lähmt die schöpferischen Potenzen unserer Gesellschaft und behindert die Lösung der anstehenden lokalen und globalen Aufgaben. Wir verzetteln uns in übelgelaunter Passivität und hätten doch Wichtigeres zu tun für unser Leben, unser Land und die Menschheit … Im privaten Kreis sagt jeder leichthin, wie seine Diagnose lautet und nennt die ihm wichtigsten Massnahmen …» Heute ist alles ähnlich, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Wir hatten uns im Neuen Forum eine Reform der DDR vorgestellt, wir wollten nicht den Anschluss an die Bundesrepublik Deutschland. Wir riefen ja «Wir sind das Volk!». Der Ruf «Wir sind ein Volk» kam viel später.
Wie sieht der Rat die derzeit laufende Ost-West-Debatte in Deutschland?
HVK: Dazu ist mir ein bezeichnendes Interview mit der Schriftstellerin Anne Rabe vom Info-Radio im Gedächtnis. Die Moderatorin sagte, dass sie den Osten als immer gewalttätiger und rechtsextremer empfände, und bezog das auf die gewalttätige Art, die die DDR-Diktatur verursacht hatte. Sie sprach von vererbter Brutalität, die die DDR auch aus dem Nationalsozialismus geerbt hatte. Das ist so ein Bild, das nach meiner Meinung schon einige Jahre aufgemacht wird gegenüber den Ostlern: Entweder haben wir die Demokratie nicht verstanden, oder wir sind gewalttätig. Es gibt eine Diffamierungskampagne gegen den Osten. Die Ost-Vergangenheit soll nicht ordentlich aufgearbeitet werden. Diese Strategie fahren die öffentlich-rechtlichen Anstalten in Berlin und Brandenburg.
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