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Der Erfolg von Engagement

Wozu sich aufopfern für die ignorante Masse, wenn es doch so wenig bringt? Ein paar Gedanken über die Ethik des Engagements.

Bei der diesjährigen Ausgabe der grössten Bitcoin-Konferenz der Welt («Bitcoin 2023») gab es auch eine Diskussionsrunde zum Thema Journalismus. Die Veranstaltung ist erwähnenswert, denn sie lieferte wohl die ehrlichste Auseinandersetzung der letzten Jahre mit dem aktuellen Journalismus. Geladen war unter anderem Whitney Webb, Herausgeberin von Unlimited Hangout und eine der unerschrockensten Journalistinnen unserer Zeit, die vor keinem noch so heiklen Thema haltmacht.

Ob sie denn keine Angst um sich habe, wurde sie gefragt. Nein, denn sie möchte sich nicht von denen, über die sie schreibt, ihren Gemütszustand diktieren lassen. Ihr Ziel sei es, der Welt unmissverständlich zu zeigen, was passiert, in der Hoffnung, das Schlimmste davon noch abzuwenden. Eine bemerkenswerte Aussage. Ihr Kampf mag aussichtslos wirken, der Gegner übermächtig. Schliesslich hat sie es mit Geheimdiensten, den Mainstream-Medien und Regierungen zu tun, es ist ein Kampf David gegen Goliath. Doch schon der Ausgang dieser Geschichte in der Bibel macht Mut, denn David besiegt Goliath nicht auf dessen Gebiet der körperlichen Überlegenheit; sondern er besiegte ihn auf dem Gebiet seiner Stärken: List, Treffsicherheit, Mut und Schnelligkeit.

Viele, die seit mehreren Jahren kritische Corona-Berichterstattung liefern, fragen sich vielleicht manchmal: Wofür mache ich das überhaupt? Hat kritische Information viel verändert, hat sie irgendeine Entwicklung gebremst, aufgehalten oder umgekehrt? Hat sie andere erreicht als die, die ohnehin schon gezweifelt haben? Immerhin wurde im Deutschen Bundestag sogar eine allgemeine Impfpflicht diskutiert. Die Aufarbeitung verläuft passend dazu schleppend und ist mit reichlich Nebelkerzen flankiert. Die Mehrheit der Bevölkerung glaubt vermutlich immer noch an eine gefährliche Pandemie und an den Segensreichtum von sogenannten «Impfstoffen». Aufarbeitung von Fehlern? Fehlanzeige. Kritiker werden mit Prozessen überzogen, die Täter in WHO, Gesundheitsministerien, in den Medien und der Ärzteschaft dilettieren weiter fröhlich vor sich hin, unbehelligt von der Justiz. Kein Grossverbrechen ohne Vertuschung, und diese geht weiter und wird es vielleicht auch noch eine ganze Weile. Also: alles umsonst? Mitnichten.

Wenn die Wahrheit für Mächtige gefährlich ist, zahlt der Wahrheitsüberbringer einen hohen persönlichen Preis. Niemand weiss das besser als ein Julian Assange, der Begründer und Kopf von Wikileaks, der nahezu im Alleingang in den letzten Jahren mehr an Journalistenpreisen gewonnen und Scoops veröffentlicht hat, als jedes Presseorgan der Welt. Niemand hat der Weltöffentlichkeit deutlicher das hässliche Gesicht ihrer Realität gezeigt als er. Niemand hat so gnadenlos wie er Verbrechen aufgedeckt und Mächtige blossgestellt. Die Folge davon: Keiner der Blossgestellten wurde zur Verantwortung gezogen, er selbst hingegen fristet seit über zehn Jahren ein Leben als Häftling, die letzten vier Jahre in Isolationshaft im britischen Guantánamo, dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Ebenfalls: alles umsonst?

Sicher: An den Umständen hat sich nichts verändert, und doch hat sich alles verändert. Denn durch die Veröffentlichungen sind die Machtstrukturen und Fehlentwicklungen offengelegt worden. Jeder, der will, kann die vielen Leaks studieren. Mit der Aufklärung beginnt ein unumkehrbarer Prozess. Denn sobald man etwas weiss, kann man es nicht mehr «nicht wissen». Selbst mit intensiver Verdrängungsarbeit kann man nur schwer hinter den eigenen Kenntnisstand zurückfallen. Damit hat Aufklärungsarbeit einen weitaus stärkeren Anker als Propaganda und Lügen. Letztere vermitteln nur eine wiederholte, zeitweise Verwirrung und Indoktrination, sie sind ein medialer Schleier. Echte Aufklärung hingegen ist eine irreversible Aufhebung des Schleiers. Es ist, als würde man durch eine schwere Tür gehen und diese hinter sich ins Schloss fallen lassen.

Erfolg ist mehr als nur eine mechanisch umgesetzte Veränderung in der Aussenwelt. Wer auf geistigem Gebiet arbeitet, sieht den Erfolg meistens nicht. Denn er oder sie arbeitet zwar an der Veränderung der Gedankenwelt, kontrolliert diesen Vorgang aber nicht. Man veröffentlicht etwas, weiss dann aber nicht, wie viele es aufnehmen oder wie sie es verarbeiten. Niemand hat Kontrolle darüber, was mit Informationen passiert. Für Assange war jede Art von Verabredung unter Mächtigen zulasten des Bürgers ein Verrat an der Demokratie. Und jede Form von Konspiration gedeiht nur im Geheimen. Wo Verschwörer Aufdeckung fürchten müssen, erhöht sich der Preis für Konspiration. Somit ist jeder wahrheitsfördernde Akt selbst schon ein Gegengewicht gegen diese Kräfte, die im Dunkeln operieren. Liegt dann aber der Erfolg nicht schon in der Tat selbst?

Erfolg und Engagement sind ungleiche Geschwister. Engagement ist keine Karrierekategorie, bei der man etwas macht, um etwas zu bekommen. Engagement ist altruistische Aufopferung des Selbst für eine höherwertige Sache. Wer sich unter allen persönlichen Risiken für einen Wert wie die Wahrheit einsetzt, macht schon dadurch etwas Wertvolles. Ebenso ist auch der missglückte Versuch, eine andere Person vor dem Ertrinken zu retten, per se wertvoll und ethisch richtig. Engagement ist Arbeit ohne Aussicht auf Entlohnung, aber mit dem Risiko von persönlichen Einbussen.

Und doch: Der Erfolg zeigt sich nicht selten in der Reaktion auf eine altruistische Tat. Dadurch, dass Julian Assange im Gefängnis sitzt, sieht die Weltöffentlichkeit exemplarisch an ihm die gebündelte Hilflosigkeit des Machtapparates. Der demokratisch-zivilisierte Westen ist auch nur eine Räuberhöhle. Die Mittel der Wahl stammen aus dem Mittelalter, heute greift der Justizapparat sogar zur modernen Version der Folter, der sogenannten «weissen» oder psychologischen Folter. Kann man tatsächlich vom Scheitern sprechen, wenn man der Realität selbst im Moment des persönlichen Misserfolgs noch die Maske vom Gesicht reisst? Wohl kaum.

Die ganze Welt sieht nun, dass Julian Assange wunde Punkte berührt haben muss, wenn sich eine ganze Apparatur gegen ihn wendet. Diese agiert unverhältnismässig hart und in vielerlei Weise ungeschickt, ein wenig mit der Kopflosigkeit desjenigen, der Angst vor Entdeckung hat. In einer Demokratie könnte man ja einfach widerlegt werden, wenn man etwas Falsches verbreitet. In manchen Fällen kann das sogar rechtliche Konsequenzen haben. Doch Assange wurde nie eine falsche Information nachgewiesen. Er wird zum Schweigen gebracht, weil er die Wahrheit sagte. Durch die unmenschliche und undemokratische Reaktion wird die Wahrhaftigkeit seiner Aussagen bestätigt, und zwar sichtbar für die ganze Welt. Die Tat eines anderen, effektiv ausgeführt, hat dazu geführt, dass sich ein ganzer milliardenschwerer Sicherheitsapparat nun die Blösse geben muss und darum kämpft, den Schein der Legalität zu wahren. Ist das nicht auch eine Form von: Macht?

Den grössten Erfolg, den gute Taten haben können, ist der, dass ihre Idee in anderen weiterlebt. Julian Assange mag in seinem Wirken gerade massiv begrenzt sein. Allein durch sein Vorbild hat er andere inspiriert und zu Nachahmern gemacht. In dem Masse, wie er zum sichtbaren Opfer der Umstände wird, vervielfältigt er sich in seinen Nachfolgern. Je mehr es davon gibt, desto schneller verändert die Welt ihr Gesicht. Der grösste Erfolg von Engagement ist vermutlich sein Vorbildcharakter für andere. Jeder kann in seinem Wirkungskreis eine kleine Lawine der Veränderung lostreten. ♦

von Milosz Matuschek

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Milosz Matuschek ist Jurist und Publizist. Er ist Herausgeber von freischwebende-intelligenz.org und Kolumnist für die «Weltwoche». Sein letztes Buch «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty) ist 2022 erschienen.


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