Skip to main content

Die Tragik des Helden

Der Held ist nach Platon ein kampferprobter Weiser mit Führungsqualitäten. Stärke und Furchtlosigkeit sind ihm genauso eigen wie Besonnenheit und Demut. Zum Helden macht ihn allerdings der innere Kampf, in dem er der Versuchung der Macht widersteht und sich damit selbst besiegt.

Platons Standardwerk über Politik, Staat und Gesellschaft «Politeia» umfasst zehn Bücher. Die Frage nach der Beschaffenheit eines Helden wird zwar nicht direkt gestellt, die Antwort ergibt sich allerdings aus der vergeblichen Suche nach geeignetem Führungspersonal für den Staat. Als vergeblich erweist sich die Suche, weil sie ein Paradoxon zutage fördert, welches am Ende zum Helden führt, der trotz Eignung auf Macht verzichtet.

Wie andere Schriften Platons, besteht auch die «Politeia» aus Gesprächen, die sein Lehrer Sokrates führt.

Nach anfänglichen Betrachtungen über die Entstehung des Staates und den Ursprung des Krieges, denkt Sokrates über die ideale Beschaffenheit des Soldaten nach und findet dabei eine überraschende Parallele zum Charakter des Hundes. Beide vereinen eine bedingungslose Opferbereitschaft mit unerschütterlicher Gutmütigkeit gegenüber der eigenen Familie. So wie sie das Fremde mit unüberwindbarer Entschlossenheit abwehren, begegnen sie dem Vertrauten mit ergebener Sanftmut. Den Unbekannten haben sie fernzuhalten, obschon dieser ihnen nichts Schlechtes getan, und den Vertrauten haben sie zu lieben, obwohl der ihnen noch nie etwas Gutes erwiesen hat. Durch diesen Vergleich mit dem Hund gibt Sokrates den Soldaten anscheinend der Lächerlichkeit preis. Sokrates wäre aber nicht Sokrates, wenn er nicht das Kunststück vollbrächte, etwas vermeintlich Offensichtliches mit nur einer einzigen Frage wieder in ein ganz neues Licht zu tauchen. Sokrates bittet seine Gesprächspartner nämlich, sich diesen Soldaten als Verteidiger des Guten zu denken. Damit wird das, was ihm vertraut ist, das Gute und er selbst zu einem Teil davon. Und weil das Gute vollkommen ist und somit alles, was gut ist, dem Guten verwandt erscheinen muss, kann das, was dem Guten unverwandt ist, nur das Schlechte sein. Denn das Schlechte ist nichts Eigenes, sondern nur Abwesenheit von Gutem. Daher ist dem wahren Guten das Schlechte unvertraut. Sokrates erhebt den Hund zu einem philosophischen Tier, indem er dessen ungetrübte Unterscheidung zwischen Verwandt und Unverwandt als Allegorie für eine trugfreie Erkennung von Gut und Böse verwendet.

***

Andreas Thiel etabliert durch seine sprachphilosophischen Betrachtungen eine durch Platon inspirierte neue Schule des Denkens, unter anderem mit seinem Format «Yoyogaga» auf kontrafunk.radio.


Du möchtest den ganzen Artikel lesen? Dann bestelle jetzt die 15. Ausgabe oder gleich ein Abo in unserem Shop.

Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.

Teile diesen Beitrag mit deinen Freunden