Heldin sein – Nein danke
Die Unverletzbarkeit des Helden mag attraktiv sein. Und auch die Bewunderung, die ihm sicher ist. Mensch sein hingegen heisst verletzbar sein. Und das ist gut so. Sogar besser.
Ich will keine Heldin sein. Wollte ich noch nie. Auch als Kind hat mich das nicht interessiert. Stattdessen habe ich alle Kleider zusammengesucht, die ich finden konnte, je länger desto besser, dazu viel Schmuck, Tücher und die Stöckelschuhe meiner Mutter, um mich als prachtvolle Prinzessin zu verkleiden und so durch die Wohnung und den Garten zu stolzieren. In einem Königreich zu leben, stellte ich mir hübsch vor. Inzwischen ist hinlänglich bekannt, dass aus mir keine zweite Lady Diana geworden ist. Gut so. Ein Leben mit maliziöser Schwiegermutter, penetranten Paparazzi und frühem Tunneltod hätte mir nicht gefallen.
Also doch besser eine Heldin? Während der sogenannten Pandemie hätte ich ja jede Chance gehabt, mich in heroischer Manier zur Schau zu stellen. Ein deutsches Bankinstitut rief mir seinerzeit auf rot gehaltenen Plakaten zu, dass «Superhelden Maske tragen». Nur: Ich war nicht willens, mir Plastikaccessoires gegen Stäube vor das Gesicht zu hängen. Bedeutet also: keine Heldin.
Die Bundesregierung hat ebenfalls versucht, mich mit dem Heldenstatus zu ködern. In einem mit Steuergeldern grosszügig finanzierten Spot wurde bekanntgegeben, was dafür zu tun ist: Nichts. Die Instruktion lautete, man solle «faul wie die Waschbären» sein, «auf unserem Arsch» hocken, und zwar am besten auf der Couch zu Hause, vor der Glotze, mit einem riesigen Pappeimer voll frittierter Hähnchenteile.
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Sylvie-Sophie Schindler ist philosophisch und pädagogisch ausgebildet und hat über 1500 Kinder begleitet. Die Journalistin ist Trägerin des Walter-Kempowski-Literaturpreises und publiziert unter anderem bei der Weltwoche.
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