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Vom Leben auf vier Rädern

Manchmal muss es erst einmal knallen, damit man seine Träume verwirklicht. So war es auch bei Robin Bär. Zuerst der Albtraum: Glatteis, Unfall, Autoschaden. Dann die Idee: Warum eigentlich wieder ein Auto kaufen und nicht gleich ein «Büssli», das man ausbauen kann? Der 28-Jährige erzählt, wie er seinen Traum vom Leben im Van realisierte, und warum er beschloss, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.

Im unberührten Wald barfuss über die noch feuchte Erde laufen; splitterfasernackt von einer Klippe ins Wasser springen; der Sonne dabei zuschauen, wie sie im Meer versinkt; beim Einschlafen den Blick zur Dachluke richten und Sterne zählen.

Das Vanlife soll abenteuerlich und unbeschwert sein – Freiheit pur. Doch entspricht dieses Bild der Realität? Die Instagram-Fotos von Weltenbummlern, die ihre Wohnung gegen einen Kleinbus eingetauscht haben, sind oft auf Hochglanz poliert und stimmen daher kaum mit der Wirklichkeit überein. «Das Vanlife ist nicht vergleichbar mit einem Dauerurlaub, in dem man total entspannen kann», sagt Robin Bär. Klar gebe es Tage, die sehr erholsam seien, aber «easy-peasy» sei so ein Leben im Van nicht; man müsse mit vielen unvorhersehbaren Situationen rechnen. «Ich bin zum Glück jemand, der bei Stresssituationen Ruhe bewahrt und gleich nach Lösungen sucht», so der 28-Jährige.

Ein Lebensmotto von Robin lautet: «Du hast viel mehr Lebensfreude, wenn du nicht weisst, was dich morgen erwartet.» Dass er sein Studium – Sportwissenschaften an der Berner Fachhochschule – nach zwei Semestern bereits wieder abbrach, war auch nicht zu erwarten, hatte er doch sein Wunschstudium gefunden. «Fünf Jahre für den Bachelor ist eine sehr lange Zeit», findet Robin, der Teilzeit studierte und nebenbei als Abteilungsleiter im Bereich Vertrieb bei der Landi in Marthalen arbeitete. Er fügt an: «Die Idee, mich selbstständig zu machen, schlummerte schon lange in mir.» Dieses Vorhaben reifte während seiner ersten grossen Van-Reise im Jahr 2022 heran – heute führt er eine Agentur für Social-Media-Marketing in der Sportbranche.

Robin fackelt nicht lange, für Zweifel hat er keine Zeit. Das war nicht immer so: «Meine Exfreundin hat mich mit ihrer positiven Lebenseinstellung sehr geprägt.» Während sich andere in seinem Alter schon um ihre Vorsorge kümmerten, lebe er lieber im Hier und Jetzt. «Ich möchte nicht, dass mein Leben an mir vorbeizieht, deshalb fokussiere ich mich lieber auf das, was mir wichtig ist, mich glücklich macht – ich versuche, das Beste aus jeder Situation zu machen.»

Auch die Idee, mit einem Van gemeinsam auf Reisen zu gehen, kam von der Exfreundin: «Im Winter 2020 baute ich mit meinem Auto einen Unfall – es hatte Glatteis auf der Fahrbahn. Meine Exfreundin konnte mich überzeugen, dass ich mir anstelle eines neuen Autos ein ‹Büssli› anschaffte.» Die neue Errungenschaft kostete die beiden rund 9000 Franken, hinzu kamen rund 21´000 Franken für den Innenausbau. Für diesen haben sie rund ein Jahr benötigt – in der Freizeit wurde ausgemessen, gezimmert, gewerkelt, bemalt, genäht usw.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der Van ist stilvoll und gemütlich eingerichtet. Die sechs Quadratmeter grosse Wohnfläche wird optimal genutzt. Das Bett lässt sich mit ein paar Handgriffen zur Sitzecke umfunktionieren. Die Stauraumlösungen sind gut durchdacht: Beim Kopfkissenbereich sind im Bettgestell kleine Vertiefungen eingebaut, hier kann beispielsweise die Lektüre elegant verstaut werden. Oberhalb des Spülbeckens befindet sich ein Regal, an dessen Boden können dank eines Magnetsystems Tassen angebracht werden. Auf einem Hängeregal, welches an der Decke befestigt werden kann, und das dann über dem Fussende des Bettes schwebt, lässt sich der Laptop platzieren – so geht Van-Kino. Die Wand- und Deckenverkleidung ist zwar aus Holz; einige Paneele sind jedoch weiss gestrichen. «Meine Exfreundin hatte diese Idee – bei der Gestaltung musste ich mit ihr viele Kompromisse eingehen», sagt Robin und lacht.

Die weisse Farbe fing nicht an zu bröckeln, aber die Beziehung: Nach dem ersten grossen, rund siebenmonatigen Trip trennten sich die beiden, als sie wieder zurück in der Schweiz waren. Robin denkt gerne an die gemeinsame Zeit auf vier Rädern zurück: «Wir sind im Oktober 2022 in Venedig gestartet und dann innert eines Monats entlang der Adriaküste bis in den Süden Italiens gefahren – wir flohen quasi vor dem kalten Wetter.» Da der Van nicht mit einer Heizung ausgestattet ist, kann es je nach Jahreszeit drinnen sehr kalt werden. In Apulien bei einem Freiwilligeneinsatz in einem Tierheim verliebte sich das damalige Paar in einen Vierbeiner: Der Auserwählte hiess damals noch Pauli – heute hört er auf den Namen Comino. Es ist kein Zufall, dass der Hund nach der kleinsten bewohnten Insel des maltesischen Archipels benannt ist, reiste das Paar doch von Sizilien mit der Fähre nach Malta – «20 Grad und türkisfarbenes Wasser an Weihnachten, das war schon supertoll!»

Nach dem Beziehungsaus ging es nicht lange, bis Robin wieder das Fernweh lockte. Eigentlich wollte er sich mit einem Kollegenpaar, welches bereits mit seinem eigenen Van unterwegs war, im Süden Schwedens treffen. Doch Elektronikprobleme machten ihm einen Strich durch die Rechnung: «Da der Van in die Werkstatt musste, sass ich zehn Tage in Göttingen fest. Das Vanlife hat eben nicht nur Sonnenseiten.» Das Kollegenpaar reiste ohne Robin weiter. Ganz auf sich allein gestellt, war er aber nicht – Comino begleitete ihn.

In den Wäldern Schwedens fand Robin reichlich Blaubeeren und Pilze. Auf dem Speiseplan standen oft auch Fische – neben diversen Sportarten ist Angeln ein grosses Hobby von Robin. Ob Nahrung, Wasser oder Schlaf: Beim Vanlife stehen die Grundbedürfnisse im Zentrum. «Während meiner zweimonatigen Schweden-Reise betrugen meine Lebenshaltungskosten im Schnitt 45 Euro pro Tag. Es fühlt sich gut an, das materielle Leben auf das Notwendigste zu beschränken.»

Manchmal ist es paradox: Erst wenn man in die Fremde geht, kommt man bei sich selbst an. Robin formuliert dies so: «Je weniger Ablenkung ich habe, desto mehr bin ich in meiner Mitte.» So richtig gut und frei fühlte sich Robin, als er im Pieljekaise-Nationalpark auf eine Hochebene wanderte: «Der Aufstieg lohnte sich, ich konnte unzählige grasende Rentiere aus nächster Nähe beobachten.»

Im Frühling möchte der Selbstständigerwerbende wieder mit dem Van losziehen. Als Reiseziel schweben ihm die Balkanstaaten vor, auch der hohe Norden würde ihn reizen, eine konkrete Reiseroute hat er aber noch keine. Robin hat viele Ideen für neue Projekte – die meisten stecken aber noch in den Kinderschuhen. Vor rund zwei Jahren etwa hat er zusammen mit angehenden Programmierern der ZHAW begonnen, die App «VanFan» zu entwickeln. Dank dieser sollen sich Vanreisende mit anderen, die gerade unterwegs sind, vernetzen und treffen können.

Gute Ideen sollte man zuerst einmal reifen lassen. Manchmal braucht es eine Reise mit dem Van, damit man sie realisiert – und so seinen Träumen ein Stück näher kommt. ♦

von Luisa Aeberhard

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Robin Bär beschreibt in seinem Buch «Vanlife – die Kultur» die Vor- und Nachteile des Lebens im Camper und bietet auf Instagram einen umfassenden Einblick in das Vanlife.


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