Sag mir, wo ihr alle seid
Ganz hinten im Bus sitze ich, wir fahren am Thunersee entlang. Leiser Regen fällt auf die Windschutzscheibe. Ein Tag im grauen Frühsommer 2017. Ein paar Reihen vor mir sitzt ein Mensch, ganz klein zusammengekauert.
Oberhofen. Der kleine Mensch steht auf, schaut in meine Richtung, steigt aus. War es ein Nicken, ein Erkennen, ein Gruss? Ich grüsse zurück: «Salü Polo!» Nicht lange später ist er gegangen. Für immer. Der grosse Polo Hofer. Nur zwei Jahre älter als ich heute bin. Nun ist es fünf Jahre her, seit ich von seinem Tod erfahren habe.
Viele der anderen Grossen, die mich in irgendeiner Form seit meiner Kindheit begleitet haben, sind nicht mehr da. Es sind nicht nur berühmte Namen wie Polo, Mani Matter, Endo Anaconda, John Lennon, Martin Luther King, Nelson Mandela und viele mehr.
Sie heissen Beat Stähli, mit seinen wundervoll kraftstrotzenden Skulpturen. Werner Hostettler, der Tausende mit seinen Geschichten in Lokalzeitungen zu berühren verstand. Daniel Laroche, aus dem gleichen Metier, ein Regisseur und oft unterschätzter, überragender Geist. Michel Biedermann und seine unvergessliche Klarinette, seine ansteckende Begeisterungsfähigkeit. Dann die wundervolle Moni Linder, die von ihrem Pferd geworfen wurde – mit wenig mehr als 30 Jahren. Mein wunderbarer Grossvater und seine grosse, von viel Liebe erfüllte Frau. Sie alle sind gegangen.
Und ihr fehlt mir.
Gerade heute, wo ich und viele andere euch so nötig gehabt hätten. Mit eurer Gradlinigkeit, eurem wachen Geist, euren Emotionen und eurer Empathie. Wie hätten wir euch heute doch so nötig …
von Herbert Schweizer
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