Die Welt als Klangkosmos

Interview mit Jochen Kirchhoff

Klassische Musik ist ein Weg der Bewusstseinsentwicklung, sagt der Berliner Philosoph Jochen Kirchhoff. Indem sie das Höhere und Tiefere anklinge, führe sie uns in unsere eigenen kosmischen Tiefen oder Höhen.

«DIE FREIEN»: Lieber Jochen, die Welt scheint aus dem «Takt» geraten. Wie erklärst du dir diese Verschiebung zwischen uns und dem Klangkörper dieser Erde?

Jochen Kirchhoff: Das ist natürlich eine grundsätzliche Frage. Was ist dieser Klangkörper der Erde? Ich gehe ja davon aus, dass es eine kosmische Harmonie gibt und dass die Erde in dieser eingebaut ist; im Grunde genommen als Klangkörper, der eine hohe Ausrichtung ins Kosmische hat. Wie die Diskrepanz zu erklären ist, das liegt daran, dass die Menschheitsentwicklung in den letzten Jahrhunderten sich dramatisch verändert hat. Diese Menschheit scheint in einen Katastrophenkurs verliebt zu sein, den man nicht letztgültig erklären kann. Es gibt da eine gefährliche Entwicklung, die sich seit Jahrhunderten zuspitzt. Und das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass irgendetwas fundamental schiefgelaufen ist. Da müssten wir mal darüber reden, was könnte schiefgelaufen sein? Erklärungsversuche gibt es, aber dafür müsste man in die Geschichte und ihre Grundfragen überhaupt einsteigen: Gibt es das Böse? Gibt es irgendwelche Widersachermächte, die eingreifen und das Ganze verunmöglichen? Und was hat das Ganze wiederum mit der Musik zu tun?

Wenn wir jetzt schon von diabolischen Kräften sprechen: In deinem Buch «Klang und Verwandlung» unterscheidest du zwischen «hypnotischer» Musik, die uns «knechtet», und «meditativer» Musik, die uns «erweckt». Woran machst du dieses «Doppelgesicht der Verwandlung» fest?

JK: Das geht letzten Endes zurück auf meine jahrzehntelange Musikerfahrung. Ursprünglich kam ich ja vom Jazz, bin dann aber zur sogenannten Klassik übergewechselt, habe auch eine Gesangsausbildung gemacht, und habe dann einfach verstanden, oder gefühlt, oder gewusst – durch mein Hören –, dass das eine wirkliche Öffnung bedeutet, wenn man «richtig» hört. Und als ich dann auch andere Musik gründlich studiert habe, musste ich feststellen, dass es Musik gibt, die das Bewusstsein nicht erweitert, sondern verkleistert. Hierzu gehört beispielsweise technische Musik, die im Grunde genommen den Menschen ruiniert. Da öffnet sich gar nichts. …

von Lilly Gebert

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Jochen Kirchhoff (*1944) studierte Philosophie, Geschichte und Germanistik, war viele Jahre Dozent für Philosophie an der Humboldt-Universität und der Lessing-Hochschule in Berlin. Sein Hauptinteresse galt stets dem Mensch-Kosmos-Verhältnis in erkenntnistheoretischer, naturphilosophischer und spiritueller Hinsicht.


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