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Das KleinHAUS ist erwacht

Der Wunsch nach autonomem, bezahlbarem Wohnraum gewinnt stetig an Popularität und eine 100 Jahre alte Bewegung nimmt erneut an Fahrt auf. Auch in der Schweiz entstehen spannende neue Wohnformen.

«Wieso brauche ich im Alter eigentlich noch eine so grosse Wohnung, wo doch vielleicht weniger letztlich als Lebens- und Wohnform sogar ein Mehr sein könnte?» Mit dieser ebenso überraschenden wie etwas kuriosen Frage meiner Partnerin zum Thema Tiny House begann zwischen uns ein Dialog, der sich für mich als Architekt zunächst etwas harzig anfühlte. Aber da gab es diesen Satz von Leonardo da Vinci: «Die kleinen Zimmer oder Behausungen lenken den Geist zum Ziel – die grossen lenken ihn ab.» Dieser Gedanke liess viele Ideen, Möglichkeiten und neue Impulse erwachen – und das kleinHAUS nahm seinen Anfang.

Unsere Vision ist die Schaffung von platzsparenden, innovativen Konzepten mit hoher Wohnqualität. Im Fokus stehen massgeschneiderte kleinHAUS-Lösungen für Singles, Senioren, Paare oder auch Gemeinschaften jeder Grösse in einem sozialen Miteinander. Das Ziel ist, trotz Reduktion auf wenig Platz schön und benutzerfreundlich zu wohnen, alle Vorgaben der oft hürdenreichen Baureglemente zu erfüllen und das Ganze auch noch finanzieren zu können, sei es selber oder mithilfe der Bank.

Eine alte Idee erwacht neu

Blenden wir an dieser Stelle aber zuerst nochmal zurück. Tiny House – der Begriff wurde in den 1920er-Jahren in den USA geprägt und stand für eine neue Bewegung als Antwort auf die überrissenen Kaufpreise für Häuser. Am selben Punkt stehen wir heute, 100 Jahre später, wieder. Die Immobilien- und Landpreise bewegen sich erneut in Grössenordnungen, die längst nicht mehr für alle Leute erschwinglich sind. Geblieben ist jedoch der Wunsch nach den eigenen vier Wänden wie auch nach Freiheit und Unabhängigkeit. Die Menschen sind mit denselben Fragen konfrontiert wie damals.

Angesprochen von dieser Lebensform fühlen sich Menschen aller Generationen – die Jungen wollen ebenso wie die Älteren ungebunden und unabhängig leben können. Gerade für die ältere Generation ist es wichtig, weiterhin reisen zu können und nicht immer jemanden für die Betreuung des Hauses oder des Gartens finden zu müssen. Stattdessen möchten sie den Schlüssel drehen und gehen, zurückkommen und sofort wieder zu Hause sein.

Für viele ist in den letzten Jahren auch der uralte Menschheitstraum einer autarken Wohnform und damit eines autarken Lebens wieder in den Vordergrund gerückt. Ganz so einfach ist es jedoch nicht oder nicht mehr – allein schon die geltenden Gesetze machen uns einen Strich durch die Rechnung. So dürfte es wohl in Zukunft weniger darum gehen, vollständige Autarkie anzustreben, als sich Schritt für Schritt in jedem Bereich unabhängiger zu machen.

Dabei stehen inzwischen viele neue Möglichkeiten des Bauens und der Materialien sowie natürlich die Energieunabhängigkeit im Fokus. So lässt sich der lange, mühsame Kampf mit den gesetzlichen Regelungen auch minimieren und trotzdem letztlich ein gutes Resultat erzielen.

Wo stehen wir heute?

In Zusammenhang mit neuen Bauformen möchten wir fortan den Begriff Tiny House als Reizwort bei Baueingaben etwas in den Hintergrund stellen und per Definition nur noch vom kleinHAUS bzw. von kleinHÄUSERn sprechen. Das bedeutet eine maximal reduzierte Wohn-, Schlaf- und Arbeitsfläche sowie Küche und Bad mit zeitgemässer, wählbarer Ausstattung, all dies unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden autarken oder zumindest nachhaltigen Möglichkeiten. Nicht zuletzt soll das kleinHAUS auch architektonisch den sehr anspruchsvollen Bauvorgaben angepasst sein.

Wohnen im kleinHAUS – eine neue Lebensform ist Realität geworden. Doch auch die Hürden sind real! Die wichtigste wie auch höchste dürfte sein, dass auch bei einem Haus mit dem angestrebten minimalen ökologischen Fussabdruck ein geeignetes Grundstück vorhanden sein muss. Wie bereits erwähnt, pochen die Gemeinden und Bauämter in den meisten Fällen auf einige unabdingbare Formalitäten wie feste Bauten, Bau- und Nutzungsreglemente, Anschluss an Kanalisation und Netz sowie die Einhaltung von Brandschutz- und Energievorschriften.

Auch aus diesem Grunde möchten wir nicht mehr von Tiny House sprechen und damit die Assoziation zu «Baracken» auslösen, sondern den Begriff kleinHAUS verwenden – die mehrjährige Erfahrung als Mitglied einer Baukommission lässt da grüssen.

Geeignetes Grundstück erforderlich

Wie also kann der Traum vom reduzierten Wohnen umgesetzt werden? Der erste Schritt zur Realisierung eines solchen kleinHAUSes ist der Kauf eines eigenen Grundstücks von mindestens 250 bis 300 Quadratmetern; als Alternative kann ein Grundstück auch in Miete, Pacht oder im Baurecht gesichert werden (z.B. für 50 oder mehr Jahre mit jährlicher Baurechtzins-Zahlung). Falls vorhanden, können natürlich auch eigenes Land oder Restparzellen (aus)genutzt werden. Dies bedeutet, das «Stöckli» (Altershaus) neben das Haupthaus zu stellen, und gerade da gäbe es in der Schweiz noch unzählige Möglichkeiten, die bei Weitem nicht ausgenutzt sind. Ergänzend zum Punkt des Grundstückkaufs möchte ich noch eine gut zu realisierende und auch sinnvolle Lösung erwähnen: die gemeinschaftliche kleinHAUS-Siedlung oder -Bebauung. Auf diese werden wir in einem späteren Artikel zurückkommen.

Lassen Sie sich zuerst einmal alles gut durch den Kopf gehen. Wie heisst es doch in einem Sprichwort so schön: «Nicht die Tat ist das Schwerste, sondern der Entschluss!» ♦

von Hanspeter Luchsinger und Christiane Kirchner

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Christiane Kirchner und Hanspeter Luchsinger sind Gründer und Mitinhaber der kleinHAUS AG. Ob Einzel-kleinHAUS oder kleinHAUS-Bebauungen, Planung und Ausführung sind für sie immer eine Herzenssache von A bis Z.

Workshop «Planen – Bauen – Wohnen»
Lassen Sie sich auf das spannende und unterhaltsame Thema kleinHAUS ein und nehmen Sie viel Wissenswertes mit nach Hause.

Mai 2024, 9 – 17 Uhr, Hotel Olten, Bahnhofstr. 5, 4601 Olten. Alle Infos unter graswurzle.ch


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