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Autor: Matthias A. Weiss

«Was ist eigentlich Zufall und was bedeutet er?»

Matthias Weiss Rat

Liebe Frau S.,

Mache ich es mir zu leicht, wenn ich gleich mit der Türe ins Haus falle und sage, dass jener uns immer wieder zufällt? Uns also zukommt, und wir ihn annehmen oder auch vorüberziehen lassen dürfen?

Was Zufall in meinen Augen garantiert nicht ist, ist etwas, das man im Englischen als «random» bezeichnet, dem also, was wir so landläufig Zufalls-Generator (= Zufalls-«Hersteller») nennen. Meines Erachtens existiert so etwas überhaupt nicht, doch lassen Sie mich hierzu bitte etwas ausführen: So wie ich das wahrnehme und erlebe, haben Zu-Fälle sehr viel mit unserer Rezeptivität, also mit unserer Fähigkeit zum Empfangen zu tun.

Umgangssprachlich redet man ja auch davon, dass nur, wer seine oder ihre Hände frei hat, auch annehmen kann. Dem stimme ich voll und ganz zu. Wie soll ich auch etwas willkommen heissen, wenn meine Hände bereits (über-)voll sind? Das funktioniert ja nur schon rein physisch nicht …

Was könnte das also betreffend Ihrer Frage bedeuten?
Eine allgemeingültige Antwort darauf kann und will ich nicht geben. Das fände ich zu vermessen, doch wage ich an dieser Stelle gerne einen Versuch. Der Trappistenmönch und Mystiker Thomas Merton hat einmal folgende Worte gefunden:

«Der Wille Gottes ist kein Schicksal, dem wir uns unterwerfen müssen, sondern ein kreativer Akt in unserem Leben, der etwas absolut Neues hervorbringt, etwas bis dahin von den Gesetzen und etablierten Mustern Unvorhersehbares. Unsere Mitarbeit besteht nicht nur in der Befolgung externer Gesetze, sondern in der Öffnung unseres Willens für diesen gemeinsamen kreativen Akt.»

So gesehen kommen mir Zu-Fälle wie ein einzig grosses Zusammenwirken zwischen einer höheren Macht – welchen Namen wir ihr auch immer geben mögen – und uns als Protagonisten unseres Lebens vor.

(M)ein Bild, welches mir vor einiger Zeit dazu ein- oder eben zugefallen ist, schaut folgendermassen aus: Das Leben lässt sich mit einem Fluss vergleichen, dessen Lauf plus-minus gegeben ist. Mal führt dieser viel Wasser mit sich, die Ufer sind überflutet, wir haben kaum mehr Orientierung, da alles gleich ausschaut, nämlich voller Wasser und ohne klare Richtung. Ein andermal gleicht unser Lebensfluss eher einem Rinnsal und man kommt deswegen kaum vom Fleck. Das Leben fühlt sich mühselig an, es ist trocken und zäh, es mangelt an Schattenplätzen, an welchen man sich ausruhen könnte. Die meiste Zeit aber fliesst er schlicht vor sich hin.

Ob ich jedoch – egal wie hoch sich der Flusspegel gerade präsentiert – an einer lauschigen Sandbank Pause mache, gegen den Strom schwimme oder mich lustvoll in die reissenden Fluten stürze, liegt immer noch im eigenen Ermessen und auch in meiner ganz persönlichen Kraft. Die Energie schliesslich, mit welcher ich solches tue, ebenfalls. Der Regler für deren Intensität liegt also in meinen Händen.

Demnach gleicht der Zufall einem Zusammenspiel, oder wie es der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer so schön gesagt hat: «Das Schicksal mischt die Karten, wir aber spielen.»

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen noch so manchen kreativen und segensreichen Zu-Fall, damit sich weiterhin unvorhergesehen Neues in Ihrem Leben ereignen darf.

Herzlich,
Ihr Matthias A. Weiss

von Matthias A. Weiss


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