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Autor: Matthias A. Weiss

«Wie machst du es, dass du glücklich bist?»

«Wie machst du es, dass du glücklich bist?»

Für einmal keine Frage aus dem Publikum, sondern eine, welche mich lange Zeit persönlich umtrieb, bevor ich meine Berufung – und damit: Frieden – finden durfte. Vor einiger Zeit richtete ich diese an Freunde und Familie. Was mich interessierte, war weniger, wie sie Glück definieren, sondern vielmehr, wie sie die Grundlagen dafür schaffen. Hier ein paar ihrer Antworten:

«Einen Moment des Glücks empfinde ich, wenn ich an einem sonnigen Tag mit den Tourenskis im Tiefschnee einen Hang herunterfahre oder mit dem Partner einen schönen, glücklichen Moment draussen in den Bergen oder daheim erfahren darf. Davon zehre ich dann lange.»

Oder:
«Gegenwärtig bedeutet mir der Boogie-Tanz sehr viel, mit den strahlenden Augen der Tänzerinnen und Tänzer; kurze Augenblicke der Verbundenheit, ohne irgendwelche Bedingungen. Glück eben, sich zu Rhythmen in archaischer Form bewegen zu können.»

Und stark:
«Glück empfand ich, als ich meine langjährige Partnerin getroffen hatte und daraus eine Liebe entstehen durfte. Glück auf der anderen Seite, als die Beziehung schliesslich aufgelöst werden konnte …».

Und noch beeindruckender:
«Selbst eine schwere Krankheit kann für mich Glücksmomente beinhalten: Die Stärke und die Gelassenheit, wie eine daran Leidende mit ihrem schweren Schicksal umgeht, ist für mich mehr als vorbildlich.»

Jemand, der es versteht, sich kurz zu fassen, schrieb:
«Ich führe ein sinnerfülltes, dankbares und demütiges Leben, bewege mich und Dinge, erschaffe, was von Bedeutung ist.»

Und noch pointierter formuliert:
«Mir treu sein und das tun, was ich zu machen liebe. Möglichst im Jetzt leben.»

Jemand anderes philosophiert:
«Mir ist klar, dass ich das Glück nicht selbst machen kann, es kommt immer wieder zu mir. Es braucht meine Offenheit und Bereitschaft, es zuzulassen und auch, dass ich mir das ‹erlaube› und sicher bin, dass es mir zusteht … Ich versuche, dankbar zu sein und es auch zu erwarten, als etwas, das ich und andere zugute haben. Und dann ist es einfach da. Plötzlich bin ich mir bewusst, dass ich glücklich bin.»

Oder:
«Es braucht wohl auch eine Portion Naivität, um das Glück, respektive glückliche Momente, einfach zuzulassen und überhaupt zu erkennen. Ich denke, dass man sich diesbezüglich oft selbst im Wege steht.»

Und jemand wird sogar spirituell:
«Ich bin überzeugt, dass es Umfeldbedingungen gibt, die es dem Glück einfacher machen. Da wäre etwa das Gebot der Nächstenliebe aufzuführen, dessen zweiten Teil man oft zu wenig ernst nimmt!» (Er nimmt damit Bezug auf das «Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.»)

In meinen eigenen Worten: Der Druck, stets happy sein zu müssen, fördert eher das Unglücklichsein; denn Glück, wie ich es immer wieder erfahre, ist weder herstellbar, noch zu kontrollieren. Es ereignet sich oder auch nicht, gleichwohl zieht es gewisse Bedingungen anderen vor. Selber schaue ich dafür, dass ich genügend Schlaf habe, mich gesund ernähre, mich ausreichend bewege, mich mit nährenden Menschen umgebe, mich immer wieder nach meinem Lebensplan ausrichte und mir stets von Neuem Zeit und Raum schaffe, damit das Glück in mein Leben einziehen kann. Zugegeben: Dies alles ist keine Garantie dafür; jedoch bin und fühle ich mich dabei meistens sehr verbunden, wohl und glücklich. Was tun Sie, damit das Glück bei Ihnen einzieht?

von Matthias A. Weiss

***

Matthias A. Weiss ist ehemaliger evangelisch-reformierter Pfarrer, der die Menschen lehrt, die Kunst des Heilens zu erlernen. In dieser Kolumne beantwortet er Fragen zum Leben und zu spirituellen Themen. Ihre Frage wird anonym veröffentlicht. weissrat@diefreien.ch


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«Was ist eigentlich Zufall und was bedeutet er?»

Matthias Weiss Rat

Liebe Frau S.,

Mache ich es mir zu leicht, wenn ich gleich mit der Türe ins Haus falle und sage, dass jener uns immer wieder zufällt? Uns also zukommt, und wir ihn annehmen oder auch vorüberziehen lassen dürfen?

Was Zufall in meinen Augen garantiert nicht ist, ist etwas, das man im Englischen als «random» bezeichnet, dem also, was wir so landläufig Zufalls-Generator (= Zufalls-«Hersteller») nennen. Meines Erachtens existiert so etwas überhaupt nicht, doch lassen Sie mich hierzu bitte etwas ausführen: So wie ich das wahrnehme und erlebe, haben Zu-Fälle sehr viel mit unserer Rezeptivität, also mit unserer Fähigkeit zum Empfangen zu tun.

Umgangssprachlich redet man ja auch davon, dass nur, wer seine oder ihre Hände frei hat, auch annehmen kann. Dem stimme ich voll und ganz zu. Wie soll ich auch etwas willkommen heissen, wenn meine Hände bereits (über-)voll sind? Das funktioniert ja nur schon rein physisch nicht …

Was könnte das also betreffend Ihrer Frage bedeuten?
Eine allgemeingültige Antwort darauf kann und will ich nicht geben. Das fände ich zu vermessen, doch wage ich an dieser Stelle gerne einen Versuch. Der Trappistenmönch und Mystiker Thomas Merton hat einmal folgende Worte gefunden:

«Der Wille Gottes ist kein Schicksal, dem wir uns unterwerfen müssen, sondern ein kreativer Akt in unserem Leben, der etwas absolut Neues hervorbringt, etwas bis dahin von den Gesetzen und etablierten Mustern Unvorhersehbares. Unsere Mitarbeit besteht nicht nur in der Befolgung externer Gesetze, sondern in der Öffnung unseres Willens für diesen gemeinsamen kreativen Akt.»

So gesehen kommen mir Zu-Fälle wie ein einzig grosses Zusammenwirken zwischen einer höheren Macht – welchen Namen wir ihr auch immer geben mögen – und uns als Protagonisten unseres Lebens vor.

(M)ein Bild, welches mir vor einiger Zeit dazu ein- oder eben zugefallen ist, schaut folgendermassen aus: Das Leben lässt sich mit einem Fluss vergleichen, dessen Lauf plus-minus gegeben ist. Mal führt dieser viel Wasser mit sich, die Ufer sind überflutet, wir haben kaum mehr Orientierung, da alles gleich ausschaut, nämlich voller Wasser und ohne klare Richtung. Ein andermal gleicht unser Lebensfluss eher einem Rinnsal und man kommt deswegen kaum vom Fleck. Das Leben fühlt sich mühselig an, es ist trocken und zäh, es mangelt an Schattenplätzen, an welchen man sich ausruhen könnte. Die meiste Zeit aber fliesst er schlicht vor sich hin.

Ob ich jedoch – egal wie hoch sich der Flusspegel gerade präsentiert – an einer lauschigen Sandbank Pause mache, gegen den Strom schwimme oder mich lustvoll in die reissenden Fluten stürze, liegt immer noch im eigenen Ermessen und auch in meiner ganz persönlichen Kraft. Die Energie schliesslich, mit welcher ich solches tue, ebenfalls. Der Regler für deren Intensität liegt also in meinen Händen.

Demnach gleicht der Zufall einem Zusammenspiel, oder wie es der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer so schön gesagt hat: «Das Schicksal mischt die Karten, wir aber spielen.»

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen noch so manchen kreativen und segensreichen Zu-Fall, damit sich weiterhin unvorhergesehen Neues in Ihrem Leben ereignen darf.

Herzlich,
Ihr Matthias A. Weiss

von Matthias A. Weiss


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