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«Die Intuition trügt nie»

Interview mit Nina Maleika

Ungerechtigkeit: Während die einen ihr gegenüber erstarren, treibt sie den anderen dazu an, aus ihrem Angesicht seine eigene Sinnhaftigkeit zu entwickeln. Aus welcher Fülle wir jedoch zu schöpfen vermögen, um am Zahn der Zeit nicht zugrunde zu gehen, darüber sprachen wir mit der Sängerin und Moderatorin Nina Maleika.

«DIE FREIEN»: Liebe Nina, was treibt dich an?

Nina Maleika: Im Grunde sind es mehrere Dinge. Aber schlussendlich ist es eine Kraft, die mich treibt, und die sicherlich aus mir kommt, die ich aber auch nicht wirklich selbst steuere. Ich habe auch einen sehr grossen Gerechtigkeitssinn: Wenn irgendwo etwas passiert, wo ich das Gefühl habe, das ist nicht rechtens, kann ich gar nicht anders als meinen Mund aufmachen.

Sicherlich ist es auch eine gehörige Portion Wut auf das, was ich die letzten Jahre hier in Deutschland, aber auch global, erleben musste. Mittlerweile frage ich mich eher: Wie kann man da nicht seinen Mund aufmachen, wie kann man sich nicht dagegenstellen? Oder anders gefragt: Wie können die Leute so leise sein? Woraus schöpfen diese Leute? Oder was ist da sozusagen die fehlende Schöpferkraft, wenn man sich nicht positioniert?

Diese fehlende Anbindung vieler Menschen zu etwas Innerem – oder Höherem –, was macht dieses Eingeständnis mit dir, mit deinem Blick auf die Dinge vielerorts alleine zu sein?

NM: Diese fehlende Anbindung ist definitiv ein relevanter Aspekt. Und dennoch: Selbst wenn man nicht besonders angebunden ist, an universelle Zusammenhänge, etwas Grösseres, Spirituelles oder eine Kraft, hätte man eigentlich auch als rational klar denkender Mensch sagen müssen: Halt. Stopp. Wir laufen hier in eine absolut anti-humanistische Richtung. Die vergangenen Jahre waren ja aus jeder Perspektive, sei es die juristische oder medizinische, höchst bedenklich. Aber dass Menschen das geschafft haben zu verdrängen oder unter einem anderen Deckmantel laufen zu lassen, das erstaunt mich schon sehr. Da bedarf es schon einer grossen Fähigkeit zur Verdrängung und auch zur Lüge. Das wiederum kann ich nicht und bin für meinen Teil dann an der Stelle mitgehangen und mit gefangen. Eben weil es meinem Wesen entspricht, den Mund aufzumachen.

Mitgehangen, mitgefangen … Inwiefern hat dich das vielleicht auch in eine Distanz gebracht?

NM: Ja natürlich, es ist auch eine grosse Distanz, die ich allgemein zur Gesellschaft empfinde. Sei es zu einzelnen Menschen, einem Freundeskreis oder im beruflichen Umfeld: Das hat mich so erschreckt, dass wir im Kollektiv oder als Gesellschaft fähig waren, uns so fehlzuverhalten und so blind mitzurennen in eine faschistoide Richtung, dass mich das nachhaltig distanziert hat von der Gesellschaft und mich fragen lässt: Ich lebe hier, aber wie will ich damit in nächster Zeit umgehen? Ich habe kein Bock auf Konzerte zu gehen, es widert mich an, in Restaurants zu gehen, weil ich das Gefühl habe, dort ist so eine komische Energie von Menschen, die eventuell mitgelaufen sind – so zumindest meine Implikation. Ich unterstelle den Leuten ja auch irgendwie, dass sie sich alle nicht gerade gut positioniert haben. Und natürlich ist für mich auch die Frage: Ist hier weiter mein Platz in Deutschland? Wenn ja, was ist meine Aufgabe? Und wenn nicht, wohin denn dann? Das Ganze ist ja ein globales Thema, das eine grosse innere Distanz zwischen mich und die Welt gebracht hat. Definitiv. Und da bin ich auch nicht happy drüber, muss ich gestehen …

Hast du denn vorher, schon bevor das Ganze losging, nach etwas anderem gesucht? Warst du schon «sensibilisiert» für diese Tendenzen? Und inwiefern hat sich diese Suche vielleicht auch geändert? Inwiefern hast du angefangen, deinen Blick auch wieder auf andere Dinge zu richten, auch in Bezug auf die Fülle in dir selber?

NM: Also bereits vorher «wach» gewesen zu sein, kann ich von mir nicht behaupten. Ich hab erst 2020 gemerkt, dass im Politisch-Wirtschaftlichen strukturell etwas schiefläuft. Offensichtlich. Und da ich, wie gesagt, schon immer jemand war, der einen grossen Gerechtigkeitssinn wie Blick für die Ausgestossenen in der Gesellschaft hatte, konnte ich auch 2020 nicht anders, als meinen Finger in die Wunde zu halten.

Doch wie man so schön sagt: Wo viel Schatten ist, da ist auch viel Licht. So habe ich – trotz aller Krisen – gemerkt, dass da eine innere Fülle und auch ein innerer Wunsch und eine innere Freude ist, mich humanistischen Grundwerten zu widmen. Und dass das irgendwie grösser ist als die Angst und auch grösser ist, als etwas zu verlieren, beispielsweise seine Position und Rolle in der Gesellschaft. Das ist, was mir so einen Antrieb gegeben hat: Zu sehen, dass ich nicht die Einzige bin. Da sind so viele Menschen, die das auch so sehen. Das wiederum gibt so ein heilendes, schönes «Wir-Gefühl», das schon sehr stark gewesen ist. Das hat mich sehr getragen, aber sicherlich auch die Fülle von einem spirituellen Bewusstsein des Eingebundenseins in eine grössere Macht, die ich auch gar keiner Religion zuschreiben will.

ein «Wir-Gefühl», das aus einer Freiheit zu, anstelle aus einer Angst oder einem Zwang vor oder durch entstanden ist. So empfinde ich es auch. Was aber braucht es deiner Meinung nach, um von dieser Enge in die Fülle zu gelangen?

NM: Mut. Wir werden einfach alle weiterhin sehr viel Mut brauchen, «Ja» zu uns und unserer inneren Fülle zu sagen. Auch dann, wenn wir noch keine feste Idee davon haben, wie es weitergehen kann. Dieser Mut, darauf zu vertrauen, dass unser Herz uns schon sagen wird, wohin wir gehen. Auch wenn wir selbst dies noch gar nicht wissen können. Das ist Intuition. Und das dürfen wir nie vergessen: Die Intuition trügt nie.

Auf Basis unseres Gesprächs empfahl uns Nina Maleika folgende Zeilen des Liedes «Mut» von Alexa Feser, welches sie selbst kürzlich sang:

Mut ist eine Frage, deren Antwort schmerzen kann
Mut fängt nach dem Scheitern wieder ganz von vorne an
Mut fährt keinen Panzer, aber manchen ins Wort
Lässt die anderen fort und geht als letzter von Bord
Mut macht keine Pause, wenn es nicht gerade brennt
Ist kein Egoprojekt oder ein flüchtiger Trend

Mut ist, wenn du mit der Angst tanzt
Das was du nicht ganz kannst, trotzdem versuchst
Mut ist, wenn du wieder aufstehst
Pflaster auf die Haut klebst und weiter suchst

Mut ist es zu sagen, dass es für dich Liebe ist
Nicht zu wissen, ob du für den anderen auch schon Liebe bist
Mut sind keine Worte, die auch jeder andere denkt
Kein perfekter Moment, den der Zufall dir schenkt
Mut ist es, manchmal nicht mutig zu sein
Und dir einzugestehen, du fühlst dich allein

Mut ist, wenn du mit der Angst tanzt
Das was du nicht ganz kannst, trotzdem versuchst
Mut ist, wenn du wieder aufstehst
Pflaster auf die Haut klebst und weiter suchst

Mut ist ein Ja in einer schwierigen Zeit
Sich zu entscheiden ganz ohne Sicherheit
Auf der Bühne zu stehen
Das Herz zu entkleiden
Das zersplitterte Ich hinter den Worten zu zeigen

Mut geht auf die Barrikaden
Mut lässt sich nicht sagen
«Das schaffst du nicht»
Mut ist mehr als ein Gedanke
Mut ist, wenn die Schranke im Kopf zerbricht.


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