
Jung & provokativ!
Kurzinterview mit Flavio von Witzleben
Stellen die einen nur noch Fragen, deren Antwort beide Seiten bereits kennen, sucht er den offenen Diskurs. Flavio von Witzleben interessierte sich immer schon für «die andere Seite der Geschichte». Mit dieser konfrontiert er die Gesichter unserer Zeit auf seinem YouTube-Kanal und stellt jene unbequemen Fragen, deren Freiheit, sie überhaupt nur zu denken, sich heutzutage nicht mehr viele nehmen. Im Gespräch mit «DIE FREIEN» gibt er Einblick in seinen Werdegang und verrät uns, warum die junge Journalisten-Generation «die Ketten verstaubter Redaktionssitzungen» sprengen wird.
«DIE FREIEN»: Lieber Flavio, wie kam es, dass du mehr zum Interviewer als zum Interviewten wurdest?
Flavio von Witzleben: Das wurzelt in den historischen Umbrüchen im Frühjahr 2020 und meinem damaligen Unbehagen über die restriktive Corona-Politik der Regierung. Um mich aus der Ohnmacht zu befreien, trat ich mit dem damaligen Chefredakteur des Rubikon, heute Manova, in Kontakt, um die bereits bestehende journalistische Zusammenarbeit zu vertiefen. Er bot mir an, nicht nur Texte zu veröffentlichen, sondern auch Video-Interviews für den YouTube-Kanal des Magazins zu führen. Da ich bereits einige Artikel für den Rubikon zum Thema des Ukraine-Konflikts geschrieben hatte und durch meine damalige Masterarbeit ohnehin viel mit dem Schreiben beschäftigt war, erschien mir diese Möglichkeit als willkommene Abwechslung im damals sehr eintönigen Corona-Alltag.
So kam es, dass ich erste Experten zu den globalen Entwicklungen befragte und zahlreiche Interviews führen durfte. Damit sollte für mich ein neuer Lebensabschnitt beginnen, denn meine Arbeit traf nicht nur auf Gegenliebe. Vor allem meine damaligen Kommilitonen und Freunde aus der Universität beobachteten mit Argusaugen, wie ich von den damaligen massnahmenkritischen Demonstrationen berichtete und welche Interviewpartner bei mir Gehör fanden. Nicht selten kam es vor, dass man mich auf den Fluren der Universität nicht mehr grüsste oder das damals geforderte «Social Distancing» überaus wörtlich nahm und der Kontakt zu mir gemieden wurde. Die menschlichen Abgründe und die tiefe Macht der Propaganda und der Indoktrination bekam ich am eigenen Leib zu spüren.
Der Gipfel dieser unschönen Entwicklungen war eine Veranstaltung, die ich zusammen mit zwei Kommilitonen an der Universität organisiert hatte, wobei wir ein Streitgespräch zwischen Dr. Wolfgang Wodarg und Dr. Ulrich Mannsman unter der Moderation einer renommierten Journalistin zum Thema der Corona-Politik durchführen wollten. Nach der Bekanntgabe der Veranstaltung sah sich die Universität zu einer Stellungnahme gezwungen und distanzierte sich von unserem Bestreben. Die Diskussionsrunde, die unter dem Titel «Corona: Mut zum Dialog» hätte stattfinden sollen, musste nach einer ehrenlosen Diffamierungskampagne gegen Dr. Wodarg und meine Person abgesagt werden.
Ich sah mich daraufhin gezwungen, Witten, die Stadt, in der ich sieben Jahre lang studiert hatte, mit einem schmerzhaften Gefühl zu verlassen. In der neuen Heimat, in Köln, begann eine neue Zeit; der «Hammer-Lockdown» war nach einer gefühlten Ewigkeit vorüber, und ich konnte meine Arbeit als Journalist, obwohl ich mich lange nicht als ein solcher sah, wieder kraftvoll und zuversichtlich weiterführen.
Nach über 100 Interviews für den Rubikon, Epoch Times und das Online-Magazin Cashkurs bewarb ich mich auf eine Stelle in der Redaktion bei dem deutschen Ableger von Russia Today, RT DE. Im Januar 2022 begann ich in der Berliner Redaktion des Social-Media-Teams zu arbeiten, wobei ich perspektivisch vor der Kamera stehen sollte. All diese Pläne mussten jedoch nur sechs Wochen später verworfen werden: Der Einmarsch Russlands in die Ukraine erschütterte die Welt und führte zu noch nie gekannten Sanktionen, von denen auch wir nicht verschont blieben. Nur eine Woche nach Kriegsausbruch wurden sämtliche Social-Media-Kanäle des Unternehmens gelöscht und somit auch die gesamte Reichweite des Unternehmens.
Wir Mitarbeiter wussten damals nicht, wie es weitergehen würde, und gingen davon aus, dass es keine Perspektive mehr geben wird. So kam es, dass wir wenige Monate später aufgrund der aussichtslosen Situation und neuer Sanktionspakete, die sich auch gegen das russische Mutterunternehmen richteten, gekündigt wurden.
Ich hatte glücklicherweise zeitgleich im Sommer 2022 meinen YouTube-Kanal gegründet, auf welchem ich einige meiner Interviews für Rubikon und Co. als «Re-Upload» einem damals noch sehr überschaubaren Publikum zur Verfügung stellte. Erst mit der Kündigung und der Sorge, nicht auf eigenen Füssen stehen zu können, begann ich, eigene Inhalte für den Kanal zu entwickeln, und führe seitdem wöchentlich Interviews, befrage Menschen auf der Strasse zu ihrer Meinung und spreche einmal pro Woche mit der ehemaligen Aussenministerin von Österreich, Karin Kneissl, in meinem Podcast über die geopolitischen Entwicklungen unserer Zeit.
Deine Videos erreichen zum Teil mehr als hunderttausend Menschen – ab wann aber ist ein Gespräch für dich erfolgreich?
FvW: Erfolgreich im ursprünglichen Sinne des Begriffs ist für mich ein Gespräch dann, wenn es auf eine gewisse Entwicklung erfolgt. Dies ist zumeist dann der Fall, wenn ich meinen Fragenstil, die Interviewpartner-Recherche oder das Themengebiet weiterentwickle und somit neue Erfahrungswerte und Erkenntnisse gewinne. Ein Beispiel hierfür ist das kürzlich veröffentlichte Gespräch mit dem AfD-Chef Tino Chrupalla und dem bekannten, streitbaren Aktivisten und Journalisten Kayvan Soufi-Siavash. Die Idee und die Umsetzung eines solchen Interviews erforderten sehr viel Mut und Überwindung, da ein solches Gespräch natürlich für viel Aufmerksamkeit sorgt.
Am Tag der Aufzeichnung im Bundestagsbüro von Chrupalla musste ich voll im Fokus sein und dafür Sorge tragen, dass das Gespräch all jene Themen in den Fokus nahm, welche die Menschen in Deutschland derzeit am meisten bewegen. Das Interview erzielte erwartungsgemäss hohe Klickzahlen und brachte mir sehr viele positive Rückmeldungen ein. Es war damit ein Interview, das meinem Anspruch eines «erfolgreichen Interviews» erfüllte und mich dazu inspirierte, weitere derartige Gespräche zu führen.
Inwieweit begegnest du all deinen Gesprächspartnern gleich, oder lassen dich Sympathien wie auch der insgeheime Wunsch, gemocht werden zu wollen, auch mal eine kritische Frage hintenüberfallen?
FvW: Das ist eine sehr gute Frage. Bei Interviews mit Spitzenpolitikern versuche ich stets, kritisch und distanziert gegenüber meinem Interviewpartner aufzutreten. Ein solcher Gast gibt dir in der Regel nur ein Interview, da er sich von einem solchen Gespräch etwas erhofft – in der Regel Reichweite und Präsenz. Da das politische Geschäft ein eiskaltes Business ist, muss ich mir vergegenwärtigen, dass keines dieser Interviews ein Gespräch ist, bei dem man hinterher noch zusammen etwas trinken geht. Ganz im Gegenteil: Man bekommt eine zeitliche Vorgabe, und in diesem Rahmen muss das Interview geführt werden.
Während des Interviews begegne ich zwei Herausforderungen: dem Gesprächspartner tatsächlich kritische Fragen zu stellen, die sein Weltbild infrage stellen könnten, und dabei dennoch höflich und diplomatisch zu bleiben. In diesen Gesprächen versuche ich generell, Fragen zu stellen, die sowohl mich als auch meine Zuschauer interessieren. Ein grosser Fehler, den meiner Ansicht nach viele Interviewer machen, ist, dass sie nur ihre eigenen Interessengebiete thematisieren und aus den Augen verlieren, was die imaginäre dritte Person im Raum – also der Zuschauer – tatsächlich interessiert. Solche Gespräche können sich schnell in eine Richtung entwickeln, die mit den sozialen Realitäten der Menschen nichts mehr zu tun hat.
Ich mache mir vor den Interviews stets einen «Fahrplan», wohin ich möchte und welche Themen behandelt werden sollten. David Bohm, ein US-amerikanischer Quantenphysiker und Philosoph, von dem Einstein einst sagte, er sei der Einzige, der über die Quantentheorie hinauskommen könne, beschäftigte sich in seinen Schriften auch mit dem Dialog. Statt der Diskussion fordert er den Dialog – verstanden nicht als ein freundliches Gespräch miteinander, sondern als ein Horizonte öffnendes Aufeinanderzugehen. Ein Dialog ist ein grundsätzlich gelungenes, die Teilnehmer mit wirklich neuen Erfahrungen und Erkenntnissen belohnendes Gespräch. Dieses Ziel verfolge auch ich in meinen Interviews.
Gab es ein Gespräch, das dich besonders geprägt oder deine Sicht auf ein Thema nachhaltig verändert hat?
FvW: Das Besondere an meinen Interviews sind nicht immer die Inhalte. Vielmehr ist es für mich auch immer ein besonderes Vergnügen, den Interviewpartner nicht nur als «Experten» für einen besonderen Bereich, sondern auch als Mensch kennenzulernen. Begegnungen mit Daniele Ganser, Wolfgang Wodarg oder zuletzt mit Emmanuel Todd haben mich ein Stück weit geprägt und mir gezeigt, wie der «Kampf für die Wahrheit», wenn man ihn denn so bezeichnen möchte, Menschen erblühen und aufgehen lässt. Doch auch die Schattenseiten habe ich oftmals mitbekommen, denn die meisten meiner Interviewpartner sind massiven Anfeindungen ausgesetzt, was nicht immer spurlos an ihnen vorübergeht.
Welche Chancen und Risiken siehst du im heutigen Journalismus?
FvW: Ich sehe derzeit die Möglichkeit, dass sich ein neuer Journalismus etablieren kann, der wieder an die grundlegenden Prinzipien dieses Handwerks anknüpft: Objektivität, Distanz zu den Regierenden, Unvoreingenommenheit, Recherchefähigkeiten und den Mut, Themen in den Fokus zu nehmen, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen. All das ist in den letzten Jahren, zumindest bei den Redakteuren der sogenannten «Qualitätspresse», verloren gegangen. Die Etablierung neuer Medien stellt nun die historische Möglichkeit dar, diesen Verlust zu korrigieren.
Wird es Zeit für einen Generationenwechsel innerhalb des Journalismus?
FvW: Derzeit sind in den meisten Redaktionen immer noch Menschen gehobenen Alters in den verantwortungsvollen Positionen vertreten. Neue Medienformate wie Apollo News, das Magazin von Julian Reichelt, Nius oder zahlreiche YouTube-Formate zeigen jedoch, dass gegenwärtig eine junge Journalisten-Generation am Entstehen ist, die neuen Esprit mitbringt und die Ketten verstaubter Redaktionssitzungen sprengt. Diese Generation wird in Zukunft auch wieder das Kernelement des Journalisten-Ethos erfüllen: die Kontrolle der Regierung sowie des mächtigen digital-finanziellen Komplexes.
Was ist die Kernbotschaft, die du mit deiner Arbeit vermitteln möchtest?
FvW: Mit meiner Arbeit möchte ich in erster Linie Menschen zu Wort kommen lassen, die hinter die bröckelnde Fassade unseres Systems blicken und neue Perspektiven auf das Weltgeschehen mitbringen. Mit meinen Fragen und Einwürfen möchte ich dazu beitragen, dass Weltbilder und falsche Ideologien hinterfragt werden und neue Perspektiven Einzug erhalten.
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Flavio von Witzleben, Jahrgang 1992, arbeitet als freier Journalist. Er studierte sieben Jahre in Mainz, Witten und Granada Philosophie, Geschichte und Politik. Seine kritische Haltung gegenüber Medien und Politik entwickelte er 2014 während der Ukraine-Krise, mit welcher er sich auch in vielen Artikeln befasst hat.
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