Bariletti – durch Dur und Moll
Der Musiker und Tüftler Jürg Bariletti hat in seinem Leben alle möglichen Tonlagen durchgespielt und immer wieder von Neuem angefangen. Im Gespräch erzählt er uns über die vielen Stationen in seinem Leben, wie ihn seine Kindheit geprägt hat, und woher seine «Autoritätsparanoia» kommt.
Einige Stufen hinab, durch einen verwinkelten Gang. Es eröffnet sich dem Besucher ein kleiner Saal, der beinahe an eine Ausstellung erinnert; das Reich des freien Experimentalmusikers, Pianisten und Klavierrestaurators Jürg Bariletti. Herzlich ist sein Willkomm zwischen Klavieren, selbstgebauten Instrumenten, Kunstwerken eines Untermieters, einer kleinen Bar mit dahinterliegender Küche. Dann der Flügel, sein wichtiger Mittelpunkt im Raum.
Es ist nicht einfach, wenn nicht gar unmöglich, Bariletti einzuordnen. Musiker, Klavierrestaurator und Pianostimmer, Künstler; all dies zeigt nur einen kleinen Teil seiner grossen Vielseitigkeit und seiner Begabungen.
Wir sitzen nebeneinander auf einem alten Sofa an der Wand und plaudern über vergangene Zeiten, das Heute und über uns. Seine Geschichte und sein umfangreiches Wissen beeindrucken. Ein feinfühliges Wesen kommt an die Oberfläche. Sein Leben, von vielen Höhen und zahlreichen Tiefen gezeichnet, hat zahlreiche Tonlagen, wie es für einen von grandioser Musikalität durchfluteten Musiker offensichtlich zwingend ist.
Bariletti ist in Chur zusammen mit seiner Schwester bei Adoptiveltern aufgewachsen, nachdem die beiden in einem Waisenhaus gelebt hatten. Oft wird seine Geschichte von einem ansteckenden Lachen unterbrochen. Dies, obwohl seine Kindheit wenig Anlass dazu gegeben hat. Die beiden Geschwister gehörten zu den Hunderten von «Kindern der Landstrasse», die von Schweizer Behörden ihrer Mutter und Familie entrissen, geraubt und fremdplatziert wurden.
Er durchlebt diese Kindheit in einer patriarchalisch geprägten Adoptivfamilie, die keine Abweichungen von ihrem sehr engstirnigen Lebensbild zulässt. Seine Kontakte zu Gleichaltrigen sind hart eingeschränkt, aus Furcht, er könne ungeliebten Einflüssen ausgesetzt werden, wie Plastikspielzeug, Fernseher, Süssigkeiten, Comics und anderem mehr. Diese Erziehungsmethode würde heute als «schwarze Pädagogik» bezeichnet. Daraus resultierte, wie Bariletti festhält, «eine Autoritäts- und Beobachtungsparanoia, welche mich bis heute prägt» …
von Herbert Schweizer
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