Ein Unternehmer auf Wolke sieben
Interview mit Thomas Becherer
Herausforderungen nimmt er mit offenen Armen an. Sein Credo lautet: Visionsumsetzung und inneres Wachstum statt Stillstand und Bequemlichkeit. Thomas Becherer hat in Windeseile die Onlineplattform Conscious:Love auf die Beine gestellt. Im Interview erklärt der 43-jährige Unternehmer, was eine bewusste Partnerschaft ausmacht.
In Thomas´ Dachwohnung ist es wohlig warm. Das Feuer knistert im Cheminée; entspannte Klaviermusik läuft im Hintergrund; auf dem Couchtisch stehen Schälchen mit allerlei salzigen und süssen Knabbereien. Thomas hat sich gut vorbereitet. Es ist kein Zufall, dass er mir unter anderem «Sugus» und Grüntee offeriert. Er hat im Internet gelesen, dass ich nach diesen Kaubonbons und dieser Teeart «süchtig» sei.
Die Info aus dem Netz traf vor sechs Jahren noch zu – heute ist sie alles andere als aktuell. Auch Thomas führte vor sechs Jahren ein anderes Leben. Er war einer dieser geschniegelten Anzug-Männer – Unternehmensberater, geschäftlich viel auf Reisen. «Damals fand ich den Business Lifestyle ‹voll geil›», gesteht der 43-Jährige, der heute sein eigenes Unternehmen, die Conscious Life AG, führt. Kerngeschäft ist die Onlineplattform Conscious:Love (s. Infobox), die verschiedene Bereiche wie Dating, Freundschaft, Events und Podcasts vereint.
Thomas studierte ursprünglich Chemie, entschied sich nach seinem Abschluss aber, noch den Master of Business Administration zu machen. Aufgewachsen in der Nähe von München, kam der Deutsche 2016 in die Schweiz, wo er als Unternehmensberater diverse Projekte leitete, unter anderem für einen führenden Schweizer Medienkonzern. Anfang 2019 wagte Thomas den Sprung ins kalte Wasser: Er stieg aus dem «Angestelltensystem» aus und gab dem Leben so die Chance, ihm zu zeigen, was es noch für ihn geplant hat, wie auf der Website der von ihm gegründeten Plattform Conscious:Love zu lesen ist. Als er nach dem Austritt erst mal in Urlaub ging – vier Wochen Fuerteventura –, hatte er eine Erkenntnis: «Auch wenn ich alles erreicht habe, was ich wollte, war ich unglücklich – wahres Glück kommt eben von innen, nicht von aussen.»
Mit der Umsetzung der Onlineplattform, die anfangs Impffrei Love hiess, begann Thomas im Frühling 2021. Innert sechs Wochen stellte er die Website auf die Beine. «Ich arbeitete zum Teil bis zu 16 Stunden pro Tag; oft war ich so im Flow, dass ich bis spät in die Nacht produktiv war.» Schon vor der Corona-Zeit realisierte der 43-Jährige Projekte, bei denen es darum ging, «bewusste Menschen», die Alternativen aufbauen wollen, zusammenzubringen.
Übrigens: Thomas hatte im Laufe der Zeit auch ein Profil auf Conscious:Love erstellt: Nach einer langjährigen Beziehung war er wieder Single – «die Trennung hat mich ganz schön durchgeschüttelt». Während des Verarbeitungs- und Heilungsprozesses habe er seinen Blick nach innen gerichtet und so viel über sich selbst gelernt.
Von emotionalen Herausforderungen nach dem Ende einer intensiven Beziehung handelt auch das Lied «Another Love» von Tom Odell. In diesem heisst es: «I want to learn to love, but all my tears have been used up.» Der Song erzählt die Geschichte eines Mannes, der nicht mehr richtig lieben kann, weil seine vorherige Beziehung all seine Liebe aufgebraucht hat. Daheim auf Thomas´ Klavier liegen die Noten dieses Liedes. Er hat sich das Klavierspiel mit Videos selbst beigebracht und spielt das Instrument nun seit gut einem Jahr, wie er beiläufig erzählt.
Während andere sich nicht aus ihrer Komfortzone bewegen, nimmt der Unternehmer neue Herausforderungen mit offenen Armen an – Visionsumsetzung und inneres Wachstum statt Stillstand und Bequemlichkeit, lautet sein Credo. «Entscheidend ist, was du in die Welt bringst», sagt er und zitiert Steve Jobs: «Ich möchte eine Delle ins Universum schlagen.»
«DIE FREIEN»: Lieber Thomas, Datingplattformen werden in Zeiten von Tinder und Co. in erster Linie mit oberflächlichen Begegnungen und schnellem Sex in Verbindung gebracht. Deine Vision ist es, «bewusste und aufgewachte Menschen» zu verbinden, sodass «tiefgründige und authentische Begegnungen, bewusste Partnerschaften» entstehen können. Was verstehst du unter einer «bewussten Partnerschaft»?
Thomas Becherer: Meiner Ansicht nach gibt es fünf Punkte, die eine bewusste Partnerschaft ausmachen. Eine bewusste Partnerschaft fängt bei der Beziehung zu dir selbst an. Es geht um Fragen wie: Akzeptierst du dich so, wie du bist? Lebst du im Einklang mit dir selbst? Bist du ehrlich zu dir? Selbstreflexion, -fürsorge und -liebe spielen bei diesem ersten Punkt eine wichtige Rolle. Die eigenen Themen werden aufgearbeitet, um Klarheit zu schaffen. Welche Traumata trägst du noch mit dir herum? Was triggert dich in Beziehungen, und weshalb? Kennst du deine Verhaltensmuster? Welcher Beziehungstyp bist du? Es geht also darum, die volle Verantwortung für dein eigenes Leben und Wohlbefinden zu übernehmen.
Bei einer Partnerschaft, die aus dem Zustand des Mangels und der Bedürftigkeit entstanden ist, wird die Verantwortung für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse, für das eigene Glück an die Partnerin oder den Partner abgegeben. Damit verbunden sind Projektionen und Erwartungen. Erfüllen sich Letztere nicht, geht das Drama los: Man fühlt sich nicht geliebt, ist enttäuscht und unglücklich. Bist du im Reinen mit dir, kannst du mit ganz anderen Startbedingungen eine Partnerschaft eingehen. Taucht in der Beziehung ein Thema auf, welches in dir etwas auslöst, weisst du, dass es in den meisten Fällen mit dir und nichts mit deinem Partner zu tun hat, denn er ist ja der Spiegel deines Selbst. Natürlich lässt sich so nicht alles rechtfertigen – narzisstisches Verhalten, Missbrauch oder dergleichen sind davon sicher ausgeschlossen.
Kommen wir zum zweiten Punkt.
TB: Aus der eigenen Fülle und Liebe bist du bereit für die Beziehung zu zweit. Du und dein Partner können ein Feld von Geben, Schenken, Wohlwollen und Liebe öffnen.
Brauchen Paare, die eine bewusste Beziehung leben möchten, gemeinsame Ziele?
TB: Ja, gemeinsame Werte, Visionen und Ziele sind sehr wichtig. Was möchtest du mit deinem Partner gemeinsam aufbauen? Vielleicht wollt ihr eine Familie gründen. Aber was passiert, wenn die Kinder ausziehen? Habt ihr eine grosse Vision, die euch zusammenschweisst? Muss diese im Laufe eurer Beziehung angepasst werden? Geht ihr noch in dieselbe Richtung? Ich kenne viele Paare, die eine gemeinsame Vision, ein gemeinsames Projekt haben oder gar zusammen arbeiten. Es ist sehr schön zu sehen, wie das verbindet.
Nun fehlen noch die beiden letzten Punkte.
TB: Beim vierten Punkt geht es darum, die Illusion loszulassen und der Realität ins Auge zu sehen: Projizierst du vielleicht Hoffnungen in den Partner hinein? Oder baust du sogar eine Illusion auf? Um herauszufinden, ob dein eigenes Bild von der Realität abweicht, hilft es, immer mal wieder einen Schritt zurückzutreten – wie sieht das Ganze aus einer neutralen Position aus? Bist du dir bewusst, was der Realität entspricht oder was nur eine Illusion ist, kannst du dies über den fünften Punkt – die Kommunikation – deinem Partner offen und ehrlich mitteilen.
Das heisst, will man eine bewusste Partnerschaft leben, müssen auch unangenehme Wahrheiten aus- und angesprochen werden?
TB: Auf jeden Fall, denn gerade dies schafft Nähe und stärkt die Verbindung. Mit Kommunikationsritualen, etwa einem wöchentlichen Zwiegespräch, kann ein Einblick ins momentane Befinden des Partners gewährt werden. Dies sind die fünf Punkte, die aus meiner Sicht eine bewusste Beziehung ausmachen. Ich sehe darin grosses Potenzial, das Thema Partnerschaft in der aktuellen Zeit zu transformieren.
Deine Onlineplattform sei für Partner- und Freundschaft «fernab des Woke-Wahnsinns und Gender-Terrors», also «jenseits des Mainstreams und der Matrix», heisst es auf der Website von «Conscious:Love». Auf dieser erfährt man auch, dass täglich über 1000 Smileys zwischen Profilen verschickt werden. Seit der Gründung im Jahr 2021 wurden über eine Million Nachrichten versendet. Das klingt dann doch nach digitaler Fast-Food-Kommunikation und somit nach Mainstream …
TB: Die Zahlen sollen verdeutlichen: Hier ist richtig was los! Die Smiley-Funktion haben wir auf vielfachen Wunsch im Spätsommer 2023 eingebaut. Diese zusätzliche Option des Anschreibens macht die erste Kontaktaufnahme einfacher. Wenn etwa eine Nutzerin auf ein Profil stösst, das sie besonders anspricht, kann sie dieser Person ein lachendes Smiley schicken. Lächelt die Person zurück, entsteht ein Match.
Selbstarbeit, innere Heilung und persönliche Weiterentwicklung: Solchen Themen widmet sich dein Podcast, der auf YouTube rund 3000 Abonnenten zählt. Mit deinen Gesprächspartnern unterhältst du dich etwa darüber, wie man Bindungsängste auflösen oder eine bewusste Sexualität leben kann. Bei mittlerweile fast 80 Gesprächen konntest du dir bestimmt viel Wissen aneignen – erzähle von einem Aha-Erlebnis.
TB: Der Podcast ist für mich ein grosses Lernfeld. Ein Aha-Erlebnis hatte ich während des Gesprächs mit «SEOM» [deutscher Rapper im Bereich spiritueller Hip-Hop, Songwriter, Redner und Autor; Anm. d. Red.]. Er erzählte mir unter anderem, wie er seine jetzige Frau kennengelernt hat. Als er ihr zum ersten Mal begegnet sei, habe er eine so starke Anziehung gespürt, dass für ihn klar gewesen sei: Wow, das ist sie! Die Sache hatte jedoch einen Haken: Die Frau war damals bereits in einer anderen Beziehung. Dieser Umstand stellte für «SEOM» aber kein Hindernis dar. Er sagte ihr, wie toll er sie fände, und sollte sie irgendwann nicht mehr in der Beziehung sein, würde er sich freuen, sie kennenlernen zu dürfen. Nach eineinhalb Jahren trat dies schliesslich ein. Auf meine Frage, wie lange er bereit gewesen wäre, auf sie zu warten, antwortete «SEOM», er habe eben gewusst, dass sie die Richtige sei und sie eines Tages wieder frei sein werde. Dass man in einem so tiefen Vertrauen sein kann, hat mich zutiefst beeindruckt.
Wie geht es mit «Conscious:Love» weiter? Welche neuen Ideen möchtest du umsetzen?
TB: Mein Unternehmen trägt bewusst den Namen Conscious Life AG: Die Angebotspalette für bewusste Menschen ist breit gefächert, darin sehe ich viel Potenzial. Auf der Onlineplattform wird es bald einen neuen Bereich geben, die «Conscious:Academy». Ob Seminar, Workshop oder Referat: Wissen und Inspiration stehen hier im Fokus. Ausserdem möchte ich den Bereich Events ausbauen. Noch im ersten Halbjahr 2024 soll es für Nutzerinnen und Nutzer möglich sein, auf der Plattform kleine Events, wie beispielsweise einen Wanderausflug oder einen Grillabend, selber zu erstellen. Grössere Events organisiere ich selbst oder zusammen mit Partnern. Bedingung ist, dass sie thematisch zu «Conscious:Love» passen. Beispiele hierfür wären Themen wie bedrohte Männlichkeit und Weiblichkeit oder energetische Heilarbeit.
Hast du einen Herzenswunsch?
TB: Ich würde gerne ein Buch über das Thema bewusste Partnerschaft schreiben. Von der operativen Arbeit bei der Conscious Life AG möchte ich mich etwas freimachen – im vergangenen Jahr habe ich extrem viel gearbeitet –, damit ich wieder mehr Musse habe, neue Projekte anzustossen. Es ist mir wichtig, Freiräume zu schaffen – nur so kann Neues zu mir finden.
Auf der Website von «Conscious:Love» schreibst du: «Ich selbst hatte immer den Wunsch, eine bewusste und tiefgehende Partnerschaft zu leben (…).» Ist dieser Wunsch schon wahr geworden?
TB: Ja, ich habe mittlerweile eine wunderbare Frau an meiner Seite, und wir bauen eine bewusste Partnerschaft auf. Kennengelernt haben wir uns natürlich – wie könnte es anders sein – über «Conscious:Love».
Im Gegensatz zum Protagonisten des Liedes von Tom Odell möchte Thomas sich auf «Another Love» einlassen. Ein Unternehmer, der nach den Sternen und der Wolke sieben greift. ♦
von Luisa Aeberhard
***
Conscious:Love zählt rund 19´000 aktive Nutzer, die grösstenteils in Deutschland, der Schweiz oder Österreich leben. Aber auch Menschen aus Japan oder den USA sind unter anderem vertreten. Seit der Gründung im Jahr 2021 sind mehr als 150´000 Verbindungen zwischen den Profilen entstanden. Die Plattform ist werbefrei und finanziert sich ausschliesslich durch die kostenpflichtigen Premiumprofile für Datinginteressierte. Die Basisprofile sowie die Profile für die Freundschaftssuche sind dagegen kostenlos.
Die Onlineplattform wird von der Conscious Life AG betrieben, deren Gründer und Inhaber ist Thomas Becherer. Das Unternehmen mit Sitz im Kanton Zug arbeitet mit Partnern wie dem «Schweizerischen Verein WIR», dem Angebot von «Ja zum Leben» und dem Portal staatenlos.ch zusammen.
Hat dir der Artikel gefallen? Dann bestelle jetzt ein Abo in unserem Shop.
Deine Meinung ist uns wichtig: Teile dich mit und diskutiere im Chat mit unseren Lesern.