Gelungene Konfrontation
«Menn verdanke ich alles!», sagte sein Schüler Ferdinand Hodler rückblickend – dabei ist der Name von Barthélemy Menn (1815-1893) dem breiten Publikum kaum bekannt.
In der ersten Hälfte seines Lebens erlebte Menn eine starke Beachtung seiner Begabung. Während seines Aufenthalts in Paris und Italien (1833-44) gewann er die Anerkennung der bedeutendsten Maler seiner Zeit. Seine charakterliche Beweglichkeit und Offenheit ermöglichte ihm, mit den gegensätzlichsten Künstlerpersönlichkeiten in Freundschaft verbunden zu sein – mit Ingres, Delacroix, Corot, mit den Landschaftsmalern von Barbizon. Allerdings erstrebte er für sich nicht jene Art von Karriere, die seinen Pariser Freunden ihren Ruhm bescherte – ihm ging es darum, sich seine innere Unabhängigkeit zu bewahren. Er kehrte in seine Heimatstadt Genf zurück, wo jedoch seiner innovativen, realistisch-intimen Darstellungsweise blankes Unverständnis entgegengebracht wurde. Seine Bilder wurden als «unfertige Skizzen» abgetan. Die kleinliche Kritik, die seine Arbeit hervorrief, bewog ihn, sich mehr und mehr in sein Atelier zurückzuziehen, ohne seine Werke auszustellen. So fand er von 1850 bis 1893 als Leiter der Ecole des Beaux-Arts seine Erfüllung als Künstler und Kunstlehrer.
Nach seinem Tod gelangte der grösste Teil seines Oeuvres ins Genfer Musée d’art et d’histoire, das 3000 seiner Zeichnungen und Malereien verwahrt, auch sein «Selbstbildnis mit Strohhut». Die unvermittelte Gegenüberstellung des in Nahsicht erfassten Gesichts mit dem «abstrakten» dunkelbraunen Viereck überrascht. Das Bild wurde durchleuchtet, und dabei erschien unter der dunklen Fläche ein Ausblick auf eine Landschaft. Menn hatte also zuerst ein «Selbstbildnis vor offenem Fenster» gemalt. Warum änderte er diese Fassung? Empfand er bei diesem ersten Zustand des Bildes vielleicht, dass die Landschaft zu sehr vom Ausdruck des Kopfs ablenke? …
von Manfred Cuny
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